Unsere Gesellschaft des Anthropozäns, wo der Mensch als größter Einflussfaktor gilt, ist auf Fortschritt und Selbstoptimierung bedacht, dabei Krankheit, Verfall und Tod ausblendend. Nun vom Corona-Virus bedroht, scheint er jäh aus vermeintlicher Sicherheit gerissen. Die Reaktion: Angst einerseits, Ignoranz und Kritik an damit einhergehender Hysterie andererseits. Schon seit dem 14. Jahrhundert, wo in Europa die Pest grassierte und in Paris in der darstellenden Kunst das Genre „Totentanz“ entstanden ist, sind, beginnend mit Boccaccios „Decamerone“, Seuchen Gegenstand der Literatur. Wobei im ‚Totentanz’ Krankheit und Gesundheit, Leben und Tod, nicht als Gegensatz, sondern als zusammenhängende Einheit zum Tragen kommen. Insofern bietet die dahinterstehende Haltung Lösungsansätze durchaus auch für den Menschen des 21. Jahrhunderts. Giovanni Boccaccio wiederum markiert mit seinem „Decamerone“ (entstanden ca. 1348-1353) den Beginn europäischer Erzähltradition. Wobei sich nach überstandener Pest sieben Frauen und drei junge Männer in einem Landhaus in einem Vorort von Florenz zusammenfinden und sich in zehn Tagen hundert stark erotisch gefärbte Geschichten erzählen, um sich gegenseitig Trost zuzusprechen, Hoffnung zu spenden.
Neben den hier vorgestellten Literaturen zum Thema gibt es zahllose Weitere. Erst im März letzten Jahres erschien posthum von der im Januar davor verstorbenen Jugendbuchautorin Mirjam Pressler „Dunkles Gold“. Basierend auf einem archäologischen Fund 1998 in Erfurt – über 3000 Silbermünzen, geprägt zwischen 1346 und 1353, Gold- und Silberschmuckstücke, nachweislich aus jüdischem Besitz und offenkundig 1349 versteckt, dem Jahr, in dem das so genannte Pestpogrom gegen Juden in Erfurt stattfand. Im Klappentext von Klaus-Peter Wolfs 2010 erschienem Roman „Todesbrut“ wiederum heißt es „Eine Fähre irrt über die Nordsee und darf nirgendwo anlegen. An Bord befindet sich eine tödliche Gefahr. Sie könnte von jedem ausgehen. Auf einer beliebten Urlaubsinsel formiert sich eine Bürgerwehr: Kein Neuankömmling soll die Insel mehr betreten. Dabei ist die Bedrohung schon längst dort. Die Bundeswehr riegelt eine Kleinstadt an der Küste ab. Niemand darf mehr ins Sperrgebiet. Und niemand darf mehr hinaus. Aber ob das noch etwas nützt? Es geschieht etwas völlig Unberechenbares, das jegliche Gesellschaftsordnung außer Kraft setzt. Wann kommt es zu uns?“ Übrigens erschien im selben Jahr von Philip Roth „Nemesis“, Roman über den Ausbruch einer Polioepidemie 1944 in New Jersey, wo ein Lehrer von Schuld zerfressen wird, weil er meint, einen Schüler angesteckt zu haben. In „Das Glück der anderen“ (2003) von Steward O’ Nan wird im Zuge des Ausbruchs einer Seuche der Sheriff, Leichenbestatter und Pastor Jacob Hansen vor die Entscheidung zwischen der Verantwortung für die Gemeinschaft und der Rettung seines privaten Glücks gestellt. Impulse, was zählt im „Ernstfall“, gehen vornehmlich von Alber Camus in „Die Pest“ aus: Verbundenheit, Liebe, Zusammenhalt. Das Thema von der heiteren Seite betrachtet, lesen wir nach bei García Márquez in „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“.
Entscheidend scheint uns, was für eine Haltung wir jetzt einnehmen. Und vielleicht könnte dieser Virus ja, so komplex und schwierig in unserer globalisierten Welt sich das ausnimmt, die Funktion haben, diesen Planeten und seine Bewohner zur Besinnung zu bringen. So betrachtet, mag sich dies auch auf die Stärkung unseres Immunsystems auswirken, das Vertrauen in unsere Abwehrkräfte festigen. Das sollten wir im Auge behalten. Albert Camus zum Beispiel stattet seinen Protagonisten in „Die Pest“ mit einer solch konstruktiven Haltung, die dazu beigetragen haben mochte, dass er überlebt hat, aus. Ein Grund mehr den Roman – zugleich Allegorie auf die Nazizeit in Frankreich – (wieder mal) zur Hand zu nehmen.
Bleiben Sie achtsam, heiter & behütet – schreiben Sie JETZT!
fanger & fanger
schreibfertig.com
Giovanni Boccaccio: "Das Dekmaron", Anaconda Verlag, Köln 2013
Thomas Mann: „Der Tod in Venedig“, S.Ficher-Verlag, Frankfurt am Main 2013
Albert Camus: „Die Pest", Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek bei Hamburg 1998
Gabriel García Marquez: "Die Liebe in den Zeiten der Cholera", D´S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007
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Jörg Jasper (Freitag, 20 März 2020 14:35)
Mut machen - hohes Gut!
In diesen schweren Zeiten gilt vor allem bei strikter Einhaltung aller Forderungen ein Mut machen, was so überaus wichtig ist. Dabei kann auch sehr hilfreich das Rückbesinnen darauf welche Krisen die Menschheit überwunden hat und wie sie Hoffnung daraus geschöpft hat. Die empfohlenen Bücher haben einen guten Blick darauf. Ich möchte meine Erfahrung hier mit kundtun. In schlechten Zeiten wie diesen greife ich gern auf die Bücher von Hardy Krüger zurück und kann diese nur empfehlen, schildert er doch in seinen Reisebeschreibungen mit den Begegnungen Schicksale und Erfahrungen von Menschen unterschiedlicher Kulturkreis. Wir sollten jetzt schon daran denken wie wir dosiert nach Überwindung der Corona Krise (der Virus wird uns auch nach gefundenen Medikamenten begleiten) mit viel Optimismus wieder zur Normalität zurückkehren. Dabei müsste danach die globalisierten Welt sich neu ausrichten. In dieser Hoffnung, bleibt alle positiv und gesund!
Jörg Jasper
Waltraud.fitschen@t-online.de (Montag, 23 März 2020 12:13)
Frühlingsmorgen
Anfangs merkwürdige Stille
Dieses Leuchten am Himmel
Ein Fischreiher steht mit langen Beinen
auf dem Dach
Wie in Trance überwacht er das Geschehen
Was sieht er
Narzissen nicken gelb
Hyazinthen entfalten sich blau
Bärlauch sprießt gründuftend
Hummeln schaukeln am Lerchensporn
Mein Atem seufzt
Plötzlich das Gewusel der Meisen
in der Zaubernuss
Sie reihen sich auf
ohne Mindestabstand
Erzwitschern sich meine Zuneigung
mit einem Morgenlied
Auftritt des Eichhörnchens
Sondervorstellung von Akrobatik
In Zweigen ohne Sicherheitsleine
Es legt mir eine Walnuss auf den Stein
Meine Verehrung ist ihm sicher
In deutlichem Abstand auf der Wiese
Ein Reh
geduckt im Gras
Wendet sich blitzschnell ab
als gäbe es Gefahr
Ich hoffe
auf Feen
die im Morgentau
über die Aue schweben
Aber heute nicht
Die Abgesandte
aus dem Mittelalter
mit nachtschwarzen Flügeln
erscheint krächzend
Sie bringt mir einen Zettel
mit einer Botschaft
In einem nicht so fernen Land
ist der viertausendvierzigste Mensch
an einer Seuche gestorben
Der Wind frischt auf
Im Kellerschacht sitzt eine Kröte
Ich rette sie in letzter Minute
Liebe Schreibfreundinnen und Schreibfreunde,
bleibt hoffnungsfroh und gesund!
Herzliche Grüße aus Bremen
Waltraud Fitschen
Petra Thelen (Mittwoch, 25 März 2020 22:15)
Des Kaisers neue Kleider
In jenen Tagen hatten viele was zu sagen
Politiker und Wirtschaftsleute sehr häufig auch zu tagen
Um in aller Ruhe zu überlegen, wie man könnte das Volk bewegen
Ein Virus kam hereingeflogen und das ist wirklich nicht gelogen.
Die Lupe wurde sehr geschärft, das Auge konnte endlos sehen
Die Meinungen der Virologen mehr schlecht als recht hervorgetragen
Hier musste man ganz schlicht und einfach etwas Neues wagen
Die Diktatur als Mittel kam da recht, und nicht unbedingt zu verstehen
Ganz maßlos ohne irgendeine Grenze, versprach der Scholz sehr viele Gelder
Auch für Künstler, alle, Musiker und Schreiber, Maler, Tänzerinnen
Sehr unbedarft sprach er von der Boozouki mit einem großen Lächeln
Der kleine große Mann sah im Fernsehen sich selbst die Macht zufecheln
Es geschahen viele schöne Dinge in diesem Land und anderen Ländern
Außer dass ein paar starben, die an den schmalen Rändern
Gewaschen wurden in diesen Tagen vor allem Gehirne
Wer dabei zuschaute waren am lautlosen Himmel die Gestirne
Und irgendwann als keiner mehr erkrankte und Corona sich verzog
Für Viele ihr Leben in eine fette Talfahrtstraße bog
Der Lateralschaden war gemacht, die Leute aufgewacht
Wenn dem so wäre, dann wäre Corona durchaus angebracht.
Barbara Rossi (Sonntag, 29 März 2020 20:58)
Drei Tage nach dem Bekanntwerden der ersten Corona-Virus-Erkrankungen in Deutschland gingen mir die Worte aus, ich nahm mehr auf, als ich normalerweise wieder abgebe und in Gedanken und Worte zu fassen vermag. Ich wurde zur Konsumentin der Medien und Berichterstattungen. Ich sah unfassbare Bilder, Leid. Videonachrichten und WhatsApp-Nachrichten ploppten auf meinem Handy auf. Und damit stellte ich mich still. Mein Schweigen hielt an. Die Gedanken blieben unsortiert und ich mit ihnen alleine.
Am Abend kam der Anruf einer lieben Freundin. Sie war so verunsichert und voller Zukunftsängste. Was, wenn jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis an dem Virus erkranken oder sterben würde? Wir redeten eine Weile, aber ich wurde das Gefühl nicht los, eine Verantwortung in diesen Zeiten zu haben. Nämlich als Autorin und Freundin Worte zu finden, die trösten und Mut machen. Mit meinen Worten eine Verbindung herzustellen und zu zeigen: Man ist nicht alleine mit seinen Ängsten. Und im besten Falle Hoffnung zu schenken.
Nach dem Beenden des Gesprächs fand Folgendes den Weg in meinen Kopf:
Sperrstunde
Geborgen in der Erde,
Wo das Hoffen wächst,
Egal wie die Stimmung ist,
Erheben sich die Knospen
In ihrer Utopie von Morgen.
Auch ich war nach dem Schreiben der Zeilen wieder voller Zuversicht und froh darüber, meine Stimme wiedergefunden zu haben. Meiner Freundin habe ich die Zeilen am nächsten Tag zugeschickt. Und ich wähle nun vorsichtiger, welche Nachrichten ich lese und welche nicht.
Irene Thiele (Donnerstag, 02 April 2020 07:55)
Es ist Ausnahmezustand. Beides hat sich eingeschlichen: die Ausnahme, der Zustand. Lang noch dachte ich, es ist wie immer ... Gefühlt „lang“ - diese Zeit ist so voller Inhalt, einzelne Stunden scheinen wie Abschnitte.
Ich mache das, was ich immer tue. Kleine Dinge in kleinem Umkreis.
Ich schaue in die Welt, lasse mich nicht verunsichern, auch nicht vom im Übermaß gezeigten Horror. Ich weiß, dass er vorhanden ist und dass es Menschen gibt, die davon schon lange zuvor betroffen waren, jetzt um so mehr. Tut auch mir weh. Aber ich handle, wie ich kann, nehme hin und harre aus.
Ressourcen? Kraft und Stärke und Lebenswillen, sie waren immer schon da. Verschaffen mir Abstand zu schlimmen Dingen - um ruhig zu beobachten, zu beurteilen, zu ändern. Sie können mit Wechseln und Wandeln umgehen.
Sie dienen mir nicht, um Ängste oder andere Not abzufedern. Ich nutze sie, um, von außen zur Ruhe gezwungen, endlich innerlich mehr davon zu finden. Viel Hetze, viel Zwang, viel Druck und noch mehr MÜSSEN … das gab es in einem langen Arbeitsleben, das seit einem Vierteljahr zu Ende ist. Bisher kein Ende der Hetze ... doch, jetzt ist die Zeit, das DÜRFEN ist jetzt. In den letzten Wochen um so mehr.
Und ich wandere jeden Tag durch Hamburg, mit meiner Musik auf den Ohren - und bin ganz oft glücklich! Eine neue Zeit! Mit ihr neue Chancen? Neue Gedanken! Umkehr für uns alle ist möglich und ein Ende des Grauens, das bereits lange vor dem Virus herrschte. Darf ich in dieser Zeit glücklich sein, zweifelte lange mein schlechtes Gewissen. Es schweigt jetzt.
Lasst uns hoffen.
Gesine (Freitag, 03 April 2020 00:15)
Pandemie fächert durch die Straßen,
Räder surren Einsamkeit.
Gedankenblitze! Krachender Donnerschlag
funkt dazwischen.
Frohe Gedanken? So langsam steigt
der Mond mir wieder auf's Dach.
Krause Gesichter ziehen Stiefmütterchen,
kein Löwenzahn beißt an.
Heller Sonnenschein, der März kommt
noch mit eiskalten Füßen.
Franz Molnar (Freitag, 03 April 2020 18:08)
Jetzt beginnt die Zukunft!
Nun denn, Corona hat den Klimawandel von der Hitliste verdrängt, vom Flüchtlingsdrama ganz zu schweigen. In der Logik unserer Event-Gesellschaft ist jetzt Corona angesagt.
Ist es das?
Oder ist Covid 19 nur das Maß im Übermaß?
Haben wir in Zeiten des Machbaren, zu lange an der Natur vorbei gelebt?
Fragen, Nachfragen, Hinterfragen!
Ist es wirklich gut, dass der »brave« Bürger widerspruchslos alle Einschränkungen hinnimmt? Das er in seiner Not und Orientierungslosigkeit nach einer Führung sucht.
Das ohne einen Spruch des Verfassungsgerichts Verordnungen in Kraft treten, wie sie sonst nur in autokratischen Systemen möglich ist.
Der große Lauschangriff war schon öfters ein Thema, und jetzt!?
An der Supermarktkasse nehmen sie Bargeld nur noch unter Vorbehalt, und die doppelte Haltelinie bei der Absenkung des Rentenniveaus soll nach Expertenmeinung überarbeitet werden.
Welche Türen werden hier im Schatten der Ängstlichen geöffnet?
Im Stillstand aber kann auch eine Chance liegen wie zum Beispiel:
- Überwindung der sozialen Spaltung!
- Neuordnung der Wirtschaft!
- Regulierung des Finanzmarktes u.s.w.!
Zur Zeit ist mir nur eines Gewiss: Jetzt beginnt die Zukunft!
Sabine (Sonntag, 05 April 2020 00:33)
Ja, das Coronavirus hat die Umweltdebatte aus den Medien verdrängt. Aber besteht denn kein Zusammenhang? Derzeit kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies nur eine erste sanfte Warnung der Natur ist: Ihr geht zu weit. Ich verliere die Geduld. Zu lange schon fühlen wir uns unverwundbar; so vieles ist technisch machbar, wissenschaftlich erforscht, und nun bringt ein kleines mutiertes Virus die Welt fast zum Stillstand. Und es ist nicht Pest noch Cholera, sondern ein Grippevirus.
Bei all den erschreckenden Zahlen ist mir allerdings nicht klar, wie viele Menschen wirklich an oder mit dem Virus sterben, und ich frage mich auch, wie viele Menschen normalerweise an einem Tag in einem Land sterben. Und eine weitere Frage: was wird wohl bleiben von der Wertschätzung und dem Applaus, der jetzt den Ärzten und Krankenschwestern entgegengebracht wird? Wann wird unsere Gesellschaft die „weiblichen“ Fähigkeiten zu helfen, zu pflegen, zu nähren , wieder wirklich honorieren? Wann ziehen wir die Lehre: Krankenhäuser und Schulen statt Waffen und Militär? Vielleicht wenn hunderttausende von Menschen, die jetzt einen geliebten Menschen verloren haben, die Politiker daran erinnern? Nun, ich habe viele Fragen und wenige Antworten, aber jetzt beginnt die Zukunft.
Und ich möchte der wunderbaren Literaturliste von Erna und Hartmut noch einen Titel hinzufügen: Jose Saramago, Nobelpreisträger: Die Stadt der Blinden. Schonungslos in der Sezierung menschlichen Verhaltens, aber voller Hoffnung...
Barbara Schirmacher (Sonntag, 05 April 2020 16:40)
Auch in Zeiten von Corona
"NIcht lange in den Kissen sinnen,
sondern aufstehn und beginnen."
Onkel Willi war euín philosophischer Kopf.Er dachte über das Leben nach, stellte allgemein anerkannte Sätze bloß, wie z.B. das seiner Meinung unsinnige "Sein Leben war Arbeit" als höchstes Lob auf so mancher Traueranzeige damals Anfang der fünfziger Jahre, und fand in uns Heranwachsenden, hungrig nach Sinn, aufmerksame Zuhörer.
Ich wusste gar nicht, dass es seine Erkenntnisse auch in Reimen gab. " Doch,doch," sagte seine Tochter Christa, meine Freundin seit der ersten Schulklasse, "und täglich fallen mir mehr ein," während wir zwischen Hamburg und Como, ihrem Wohnort in Norditalien, telefonierten, Bilder von MIlitärkonvois, die Corona-Leichen abtransportierten, im Kopf. "Wir lassen uns nicht bedrohen," und "Wir halten uns an die Regeln", sagte sie mit fester Stimme, und Onkel Willi tauchte fast leibhaftig in meiner Erinnerung auf.
Er dachte nach und sprach darüber. Mit uns. Das war sensationell. Kein Erwachsener tat das. Er brauchte keinen besonderen Anlass und keinen herausgehobenen Moment. Mitten im Alltag sagte er die Dinge, die ihm wichtig waren. Er sprach mich beiläufig und doch in einem Ton mit meinem Namen an, dass ich aufhorchte. Ich wusste, dass ich wirklich gemeint war und hörte von ganzer Seele zu, so jung ich auch war. Oder gerade deshalb.Er nahm mich ernst. Er nahm sich selber ernst. Er schob nichts vor. Jedes Mal blieb ich mit einem Häkchen zum Weiterdenken zurück.
Und jetzt taucht dieser Reim morgens in meinem Kopf auf, reckt sich, guckt sich um, will was.
"Nicht lange in den Kissen sinnen....".Nicht lange, mag sein, aber eine Weile ist nützlich, habe ich gemerkt. Man muss den Ideen Zeit geben, dass sie einfallen können. Bei mir tun sie das mit Vorliebe zwischen Nicht-mehr-Schlaf und Noch-nicht-Tag. Ich stünde ärmer da, wenn ich das überspringen würde.
"Sondern aufstehn und beginnen." Onkel Willis Tag begann mit ausführlicher Körperpflege. Aus dem Bad drang sein hingebungsvolles Pfeifen. "Das machen nur die Beine von Dolores", und wir, auf der anderen Seite der Badezimmertür fielen ein:"Dass die Senores nicht schlafen gehn!"
Ausgiebiges Plätschern und massierende kleine Klatschgeräusche. Wir warteten. Onkel Willi trat auf, zufrieden mit sich. Sammelte auf rosigen Wangen Morgenküsschen ein, verteilte feine Düfte in der Luft.
Dann das Tagwerk. Er verschwand jeden Morgen hinter den Geschirrbergen des Vorabends und hielt die Küchentür geschlossen.Niemand durfte ihn stören. Erst wenn alles aufgeräumt war, erschien er, selber aufgeräumt und heiter, in Vorfreude auf ein ausgiebiges Frühstück mit Frau, Tochter, Enkelkindern aus Italien und gerade anwesenden Gästen, die auf zusammengeschobenen Sesseln im Wohnzimmer übernachtet hatten.
Und vielleicht war es just an dem Morgen, als ihm sein kleiner Vers einfiel und er ihn beim Honigbrötchen zum Besten gab.
"Nicht lange in den Kissen sinnen, sondern aufstehn und beginnen."
So sei es, Onkel Willi. Auch in Zeiten von Corona.
Schau ich doch mal, wie derzeit mein Abwasch aussieht.
Sabine (Dienstag, 07 April 2020 15:03)
Hallo Ihr Lieben,
jetzt gehen wir in die vierte Woche der Ausgangssperre,d.h. nur Gänge zum nächstgelegenen Supermarkt und Arzt sind erlaubt, und ein Ende ist nicht abzusehen. Da fallen selbst mir Gedichte ein, was überhaupt nicht heißt, dass ich Gedicht nicht liebe, ganz das Gegenteil, aber im allgemeinen schreibe ich sie nicht, denn ich bin eher eine Geschichtenerzählerin. Aber vielleicht erlaubt ihr trotzdem, dass ich mir auf diesem Wege ein bisschen Luft mache, ohne zu euren wunderschönen Gedichten, die ich mit Freude gelesen habe, in Konkurrenz zu treten.
Ausgangssperre mit Garten
Meine roten Schuhe
laufen nicht
meine roten Haare
wehen nicht
ich stumm
auf dem Stengel
balancierend
eine Blüte
tiefrot.
Ausgangssperre
Ausgehen geht nicht
der Ausgang ist gesperrt
der Eingang ebenfalls.
Panzer im Stadtzentrum
Wo bleiben meine Grundrechte?
Sind Spaziergänge ansteckend?
Christa (Donnerstag, 09 April 2020 12:08)
Eigentlich wollte ich mich raushalten aus der Corona Hysterie. Wie schon aus der Umweltdebatte. Doch diesmal ist es anders.
Die Erde ist krank. Nichts Neues. Jetzt ist es auch für den letzten Ignoranten sichtbar. Denn das Virus macht vor niemandem Halt, unterscheidet nicht zwischen Arm und Reich und wir Menschlein zittern. Ergreifen individuelle Maßnahmen uns zu retten, zu schützen. Fortlaufen funktioniert nicht. Ausgangssperren, Kontaktverbote, Panzer vor der Tür, schreibt die Freundin, alte Grenzen in Windeseile neu errichtet. Also, Stay home!
Zähneklappernd sitze ich in der dunkelsten Ecke. Hoffe, dass es mich nicht erwischt. Es klingelt. Ich warte. Erneut das Klingeln, dazu zaghaftes Klopfen. Auf Zehenspitzen schleiche ich zur Tür. Durch den Spion kann ich niemanden erkennen. „Ja?“ ich räuspere mich. „Hallo,“ von der anderen Seite. „Wer sind sie?“ frage ich. „Oh, ich bin das Glück, darf ich eintreten?“
„Ich habe nichts bestellt.“ Wollte ich antworten, da kam der Satz erst bei mir an. Da steht also das Glück vor der Tür. Was für eine Entscheidung. Wo war es in den letzten Wochen, hat es sich infiziert, wird es mich anstecken und was ist das überhaupt, Glück? Was soll ich mit diesem ungebetenen Gast? Ich war seit Wochen nicht einkaufen. Klopapier, Nudeln, Schokolade sind rar in diesen Tagen, heißt es. Und ist es Fleischesser oder Veganer. Der Wein ist sicher zu kalt. Oh diese verflixte Corona Krise.
Aber ich kann doch nicht zugeben, dass da nichts ist in Keller und Schrank. Wie wird das Glück darauf reagieren. Wird es beleidigt abziehen mich vielleicht gar mit einem Fluch belegen.
Das fehlte noch. Habe mich geschützt vier Wochen lang. Isoliert und fern aller Ansteckungsmöglichkeiten saß ich in der Sofaecke.
Bin gesund! Abgesehen, von der Kreislaufschwäche, die mich grade erfasst und dieses Herzrasen. Du liebe Zeit, meine Füße sind angeschwollen. Ist das das Virus, war es in der Schokolade, dem Wein? Und jetzt noch dieser Fremde vor der Tür. „Ich habe nichts bestellt!“ Jammere ich mit letzter Kraft gegen die Wohnungstür, schleppe mich zum Telefon und wähle die Corona Hotline.
Irene Thiele (Donnerstag, 23 April 2020 14:55)
Gestern ... Leichtigkeit, Lächeln, Augen, Wahrnehmen
Sonne, echte Sonne, lebendige Sonne
Ein Garten, ein lebendiger Garten
Diskussionen, kontrovers, Argumente und welche dagegen
Gespräche, Anteil nehmen, lustig sein
Verständnis zeigen
Gestern ... Austausch, Gemeinschaft
Begegnung
Im Fluss sein
Fließend und atmend
Und das Herz schlägt
Warm
Gestern ... Dankbarkeit
So lange kein Kontakt mehr
Weggesperrt
Bedrückt
Traurig
Es nicht mal merken
Übellaunig sein ... deswegen mit mir hadern
Nein, das tu ich nicht mehr
Ich habe Verständnis
Für mich
Die Folgen müssen sich irgendwie zeigen
Bin froh, dass das die einzigen sind
Gestern ... eineinhalb Meter Abstand
In der lebendigen Natur
******************************************
Wir saßen zu viert in einem Garten, bei Sekt und Muffins.
Und niemand hat uns angezeigt.
Und wenn, es wäre mir egal gewesen.
Man kann das jetzt finden, wie man will !!
******************************************
Gestern ... ich bin so unglaublich dankbar
Und weiterhin glücklich ...
Das musste raus. Danke fürs Lesen, Irene
Eva (Dienstag, 28 April 2020 19:43)
Leere Straßen, Menschen auf Abstand, geschlossene Geschäfte.
Dagegen im Alstervorland: buntes Treiben. Viele Menschen, Läufer, Kinder, Radler, Spaziergänger. Auch im Supermarkt heute: viele Menschen, manche mit Masken im Gesicht, manche halten Abstand, andere nicht.
Jeder in seiner Blase. Ich muss auf den Abstand achten. Dabei einkaufen. Der Virus ist allgegenwärtig. Der Gang in den Supermarkt wird zu einer anspruchsvollen Aufgabe.
Man fängt an, sich an die Einschränkungen, die es vorher so noch nicht gab, zu gewöhnen. Sie hinzunehmen, die Einschränkung der Freiheit. Weil es notwendig erscheint. Deshalb ist Wachsamkeit und Weitblick nötig. Denn, wenn die Krise vorbei ist, dann wird man Vieles, was man jetzt — im Angesicht derselben toleriert — nicht mehr hinnehmen wollen.
Ava (Donnerstag, 30 April 2020 21:50)
Social distancing, zu Hause bleiben, Kontakte meiden, Abstand halten
Kein großes Problem in einem weiten Land wie Kanada
Mit einem Haus und einem 2.000 qm großen Garten
Beim spazieren gehen mit dem Hund ein freundliches Grüßen beim Wechseln der Straßenseite
Es ist ruhig hier, noch ruhiger als ohnehin schon im beschaulichen Quispamsis
Kein Schulbus und auch sonst fast kein Auto auf der Straße.
Spielplätze geschlossen, ebenso viele Parks und Strände
Warum, frage ich mich, ist das nicht doch übertrieben?
In einer Provinz wie New Brunswick mit gerade mal 118 Corona-Fällen, davon 112 wieder genesen
seit letztem Wochenende nun Phase 1 zur Lockerung des shutdowns
zwei Familien-Blasen dürfen sich treffen, meint zwei Haushalte
von Maskenpflicht ist nicht die Rede, aber auch nicht von Öffnung der Geschäfte oder Schulen, ganz zu schweigen von Restaurants oder Hotels
mein Plan, hier herumzureisen fällt flach
ebenso keine Möglichkeit, mich ehrenamtlich zu betätigen und beruflich zu orientieren das wirkliche Leben in Kanada kennen zu lernen, denn letzteres findet gerade nicht statt
Verzweiflung macht sich breit, auch Zukunftsängste melden sich
wie soll es weitergehen und vor allem: wann?
Manja (Donnerstag, 07 Mai 2020 15:30)
Endlich innehalten.
Endlich Zeit für die Kinder, ich habe ihnen so lange nicht zugehört.
Endlich ein Buch in Ruhe lesen und Gedanken nachhängen.
Endlich lange spazieren gehen und nicht nur einen Spurt zur nächsten Straßenbahnhaltestelle einschieben, weil die Bahn ausgefallen ist.
An den wenigen Tagen auf Arbeit die Kollegen sprechen hören über echte Wünsche, Sehnsüchte und Ziele. Kollegen, die sonst nur knapp "Hallo" sagen.
Und dennoch.
Kommen wir uns zu nahe, weichen wir zurück, als wären wir schon infiziert.
Mit Maske in den Laden, als ob wir uns das Sprechen verbieten wollen.
Die Sorgen meines Schwagers um seine wirtschaftliche Existenz.
Die Sorge um meine Mutter, weil sie eine Infektion nicht überstehen würde.
Ich will mein altes Leben zurück.
UND mehr Raum für mich selbst. Das werde ich nach der Krise ändern.
Waltraud Fitschen (Mittwoch, 13 Mai 2020 16:02)
WORTE
Wut
Ich bin gefangen im Viereck von Bildschirmen
Worte
Schwabbeln im Netz
Worte
Stöhnen unter ihrer Bedeutung
Ich will mich kümmern um
Worte
Kann mir keinen Reim mehr auf sie machen
Glück
Reimt sich nicht mehr auf Tortenstück
Draußen keine Kännchen
Alle Cafés geschlossen
Übermut
Tut selten gut
Sagte Großmutter
Sie meinte nicht
Küssen ohne Maske
Aber ich will
Mich mit Liebe infizieren
Mit Worten
Aus deinem Mund
Dich einatmen
Ohne Angst
Frei sein
Nicht nur
Träumen
Vom Leben
Das wir gehabt haben könnten
Sabine (Sonntag, 17 Mai 2020 18:06)
Jetzt breche ich auf zu der Reise in die Nachcoronawelt. Was sehe ich? Nun, mein Blick geht nicht weit, er umfasst nur ein überschaubares Stück Erde, fruchtbar und grün hier neben unserem Dorf. Dort sehe ich viele Menschen arbeiten: sie pflanzen Bäume und Tomatenstauden, Kartoffeln und Kürbisse, ernten Bohnen und Zuccini. Sie lachen und scherzen, sind jung und alt, dunkel- und hellhäutig.
Am Abend decken wir einen Holztisch mit den einfachen Speisen, die wir zubereitet haben: Brot, Reis, Gemüse. Ich schaue mich um, schaue in die glücklichen, ausgelassenen Gesichter, verschwitzt nach der harten Arbeit. Neben mir meine lebhafte kanarische Freundin und ihr Mann, ich sehe Lars, den Norweger mit langen grauen Haaren und nachlassendem Augenlicht neben seiner hübschen deutschen Frau, Lambert, den holländischen Maler, Edgar, den kolumbianischen Arzt und seine drei KInder, meine Kollegin Bea und ihr argentinischer Freund, die russische Pianistin und ihr spanischer Mann, die junge Frau aus Litauen, viele andere Menschen... und ich selbst - eine deutsche Frau mit russischen und französisichen Wurzeln, die hier auf dieser südländischen Insel lebt. Wir alle arbeiten, so oft wir können, zusammen, um das brachliegende Land zu bestellen. Wir versuchen alles zu lernen über Permakultur und ökologischen Anbau. Oft ist es mühsam, aber die Freude, wenn wir die saftigen roten Tomaten abpflücken, den Brokkoli ernten lässt uns die schmerzenden Schultern und Rücken vergessen. Noch sind wir weit davon entfernt, uns selbst zu versorgen, aber wir entwickeln eine innere Verbindung zur Erde.
Irene (Mittwoch, 27 Mai 2020 08:12)
Es ist ein merkwürdiger Zustand. Im Außen sowieso: Noch nie hatten wir Dinge, die auch nur ein bisschen den jetzigen ähnelten.
Es gab sie nicht, in dieser Zeit, in unserer Generation, in diesem Land, diesem Bereich der Welt, dieser Fülle und Bequemlichkeit.
Es ist ein merkwürdiger Zustand. Im Inneren mehr als wir es uns ausgemalt hätten, wenn wir hätten ahnen können: Wir sind aus der trügerischen Sicherheit gefallen. Und aus der unterschwelligen, scheinbar berechtigten Unzufriedenheit, die Luxus war, genauso wie unsere bisherigen Umstände. Alles könnte doch noch ein bisschen besser sein, meinten wir und sagten es auch ...
Es ist eine Chance. Für uns und für neue Erfahrungen, andere als die bisherigen. Wertvoll sind sie; ohne sie wären wir nicht die, als die wir uns kennen. Die schmerzlichen sind nachhaltiger und wertvoller als die angenehmen. Das weiß man, ich weiß das auch. Trotzdem entschwindet mir die Chance immer wieder, und ich stehe still.
Seit vielen Wochen schon fühle ich das Gegenteil von: "Mir schwirrt der Kopf" - eine meiner oft getanen Äußerungen in meinem wirbeligen, oft stressigen bisherigen Leben. Rückblickend denke ich, was für Luxusprobleme das waren, manchmal mit ein wenig Koketterie gemischt ... Leichter war diese Zeit. War sie besser?
Das gefühlte Gegenteil vom schwirrenden Kopf ist belastend. Es schwirrt nichts mehr, eher ist es dumpf und ein wenig leer hinter meinen Augen. Nicht depressiv oder hoffnungslos, auch nicht verzweifelt oder resigniert. Es ist schwarzweiß, das trifft es am ehesten. Die Buntheit, das Lebendige, die Kreativität, der Spaß, die Anregungen ... nur manchmal blitzt davon etwas auf.
Sperren werden gelockert, alles soll leichter werden. Der Schrecken bleibt. Wie schnell kann so etwas passieren ... plötzlich gefangen sein.
Es ist eine Herausforderung. Was sagen meine Bücher dazu, was raten andere Quellen? Hilfe wird angeboten, fachlicher oder philosophischer Trost, Beispiele von Menschen, die Unsicherheiten und Abbrüche erfahren und beschrieben haben ...
Ich verstehe jetzt vieles besser. Kann fühlen, was ich so manches Mal nur gelesen habe.
Ja, es ist eine Chance. Die regt mich an, weiterzumachen.
Das war es heute von mir und aus mir. Und ich merke, wie es mich entlastet hat, das zu schreiben. Andere führen Tagebuch, und ich dachte, das brauche ich nicht, ich kenne ja meine Gedanken. Scheint nicht zu stimmen.
Mir ist jetzt leichter.
:)
Irene
Barbara Schirmacher (Mittwoch, 24 Juni 2020 12:45)
Es wird sich nichts ändern
In Amerika ist ein Mann von einem Polizisten bei der Verhaftung umgebracht worden. So what. Das ist eigentlich keine Nachricht. Das ist Alltag.
Natürlich war derVerdächtigte dunkler Hautfarbe.Und natürlich ist der Polizist weiß. Wie man so sagt. Weiß wie die Unschuld. Anders als sonst ist, dass er des Mordes angeklagt ist. Fast sofort nach der Tat. Immerhin.
Das liegt daran, dass eine Frau ein Video gedreht hat.Gut acht Minuten kannst du - wenn du es aushältst - wie der weiße Mann sein Knie auf den Nacken des schwarzen Mannes drückt, bis der reglos da liegt.
Das Video ist in der Welt. Keiner kann es weg diskutieren.
Aber: Es wird sich nichts ändern, sagt der Autor, der von allen Seiten gefragt wird, der aktuell das wichtigste Buch über die Sklavengesellschaft der USA geschrieben hat, "Underground Railway" , der unter seiner Rastafrisur und durch seine dunkle Haut wohl durchdringender sieht, nüchterner, illusionsloser. Der eine Reform in der Polizeibehörde in Minnesota nicht schon für den Lichtstreif am Horizont hält.
Und dann die Überraschung. Polizisten knien gemeinsam mit demonstrierenden Menschen, Schwarzen und Weißen, sagt der Nachrichtensprecher.
Ist es das?
Ist es das, was wir brauchen? Die Fähigkeit, das Knie zu beugen? Gemeinsam das Knie zu beugen?
Sabine Römer (Dienstag, 21 Juli 2020 18:59)
Was ist wichtig?
Ja, was ist eigentlich wichtig im Leben? Das habe ich mich schon öfters gefragt. Lasse ich mein Leben Revue passieren, so merke ich, dass sich die Antworten auf diese Frage im Laufe der Jahre immer wieder geändert haben. Ich denke, das ist normal. Mit 15 sind die Ansprüche an das Leben natürlich anders als mit 61. War früher der Wunsch nach Erfolg, Anerkennung und Besitz ein ständiger Antreiber, so ist es mir jetzt wichtiger gesund zu bleiben, die Menschen, die mir wichtig sind, um mich zu haben, gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen ….. nicht erst seit Corona aber jetzt ganz besonders. Die Frage, wie es in Zukunft weitergehen soll, weitergehen wird, treibt nicht nur mich um.
Was ist wichtig?
Ich ertappe mich, Pläne zu machen. Pläne für die nächsten Monate, Pläne für das nächste Jahr. Und dann frage ich mich, ob es Sinn macht zu planen oder ob es nicht sinnvoller ist, den Moment im Hier und Jetzt zu genießen. Das Leben zu genießen, so wie es mir meine Mutter geraten hat. Das verunsichert mich. Ich stelle fest, dass ich immer alles in meinem Leben geplant habe. Ohne Plan habe ich Angst, mich zu verlieren. Brauchen wir nicht alle irgendwie Pläne? Ein Plan schafft eine Struktur. Eine Struktur, an der ich mich entlang hangeln kann, die mir Sicherheit bietet. Ohne diese Sicherheit kann ich nicht genießen. Das Leben genießen bedeutet auch, sich mit einem Plan Vorfreude zu sichern. Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich auf meinem Sofa, das Laptop auf den Knien. Ich habe mir für heute Urlaub genommen. Die Waschmaschine läuft, die Steuererklärung habe ich heute früh erledigt. Das habe ich gestern für heute geplant und kann nun diese Zeit genießen. Heute gibt es zum Abendessen Fisch, ich werde ein neues Rezept ausprobieren. Das ist mein Plan und ich freue mich darauf, ihn abends umsetzen zu können. Planen und genießen schließen sich also nicht aus. Es macht insofern durchaus Sinn zu planen, auch wenn sich manche Pläne zurzeit nicht realisieren lassen. So wie der geplante Urlaub im Ausland, die geplante große Feier mit der Familie und den Freunden …. alles zurzeit nicht möglich. Doch ist das wichtig? Nein, wichtig ist das nicht. Es wäre schön gewesen, aber es ist wichtiger, dass wir gesund bleiben, um uns zu einem späteren Zeitpunkt zu sehen, um uns auf eine Reise zu einem späteren Zeitpunkt zu freuen – um uns auf die Zukunft zu freuen. Nicht den Mut verlieren, das Leben zu planen und zu genießen.
Das ist wichtig!
Barbara Schirmacher (Samstag, 25 Juli 2020 20:53)
Cavissamba
„Das ist ein afrikanisches Wort und heißt herzlich willkommen“, sagt Leni Rieke, hübsche Brünette mit Kriselhaar, und lächelt die Besucherin an. Sie ist Fotografin und führt in diesem winzigen Ort in der Wedeler Marsch in ihrem Haus eine Galerie. „Ich habe sie Cavissamba genannt, wie die Farm meiner Großmutter in Angola. Herzlich willkommen.“
Sie geht mir voran um das niedrige, hinter Rosenbüsche geduckte Haus in den wild wuchernden Garten. Die flachen Marschwiesen, die sich längs der Straße bis zum Horizont ausbreiten, liegen im vollen Sonnenschein des Spätnachmittags, ihre hellen Flächen scheinen etwas zurückgetreten, zwischen Baumstämmen und silbrigen Zweigen lugen sie hindurch. Direkt hinter dem Haus zu einem Seerosenteich hin ist eine Tafel gedeckt. Ich nicke den dort sitzenden Gästen zu und brauche einige Momente, bis ich einen Platz gefunden habe, von dem aus ich mich an dem Rundblick erfreuen kann und gleichzeitig genug Abstand von den anderen habe, um den neuen Regeln zu genügen und mich dabei noch wohlzufühlen. Hier draußen setzt niemand die Schutzmaske auf. Es wird roseefarbener Sekt angeboten. O je, mir wird in letzter Zeit so schnell schwummerig im Kopf, aber ein halbes Gläschen wird schon gehen. Ein fein geschliffenes altes Glas, die rötliche Farbe durch das Licht der sinkenden Sonne verstärkt, kleine Schlucke, die frisch und fruchtig schmecken. Tanzende Mücken im Gegenlicht über der silberhellen Wasserfläche zwischen den Seerosen. Ein halbes Dutzend Vögel, nach der Silhouette muten sie afrikanisch an mit ihren fächerartig gespreizten Schwänzen, aber hier sind es Eichelhäher, allerdings ohne ihr übliches Geratsche. Schweigend, ohne sich zu verraten, fallen sie in den hohen Kirschbaum ein. Er ist gesprenkelt von dunkelroten Schattenmorellen, und Leni Rieke sagt, sie habe die am Vormittag erst darunter aufgebaute Tafel doch lieber wieder abgebaut und hierher ans Haus geholt, um helle Blusen und Hemden zu schonen. Im übrigen seien Kaffee, frische Obsttorte und eine kräftige Suppe vorbereitet, man möge doch zulangen.
Wir sind zu einer Lesung versammelt. Aus dem „Klönschnack“, Hochglanzwerbeblättchen fürs westliche Hamburg, habe ich davon erfahren und beschlossen, mein nun schon den fünften Monat gehütetes Schneckengehäuse allmählich wieder zu öffnen. Lesung, Musik und Rotebeetesuppe. „Wir werden ein kleiner Kreis sein“, antwortete Leni Rieke auf meine vorsichtige Frage, und tatsächlich kommen nicht mehr als elf Personen zusammen. Eine liest, einer spielt Klavier, eine schaut, ob alle versorgt sind. Die anderen acht lauschen. Auf den klappernden Storch vom Nachbardach. Auf den blechernen Schlag der Kirchturmuhr. Auf die gleichmäßige Stimme, die von einem erzählt, der nicht recht weiß, in welche Heimat er gehört, nach Rumänien oder nach England. Sie lassen sich die milde Sonnenwärme ins Gesicht scheinen, blinzeln nach dem Schmetterlingspärchen, das über ihnen in enger werdenden Kreisen tanzt, höher und höher. Pfauenauge, murmelt jemand. Die Lauschenden entspannen sich und lächeln unwillkürlich. Es geht kein Windhauch. So etwas kommt in der Wedeler Marsch eigentlich nicht vor. Von hier bis zur Nordsee gibt es nicht das kleinste Hindernis, und der Wind weiß normalerweise die freie Bahn zu nutzen. Doch heute Abend hat er sich eingerollt.
Klaviertöne entfalten sich, steigen auf, schweben zwischen Gebüsch und Blumenrabatten. Die tief roten Blüten der Montbretien scheinen aus ihren Schwertblättern heraus zu glühen. Bizarr geformte Vogelköpfe mit feuriger Büschelkrone und vorgerecktem Schnabel. „Die hat mein Vater noch gepflanzt,“ sagt Leni Rieke, „ kann sein, sie waren für ihn eine Erinnerung an Afrika.“ Ihre Großeltern aus Schlesien haben dort Wohlstand gesucht, vor dem 2. Weltkrieg, und schließlich nach Jahren harter Arbeit eine Farm erwerben können, “Cavissamba“. Dort bauten sie Ananas an. Als Angola 1975 seine Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Portugal erklärte und ein jahrelanger Krieg begann, musste die Familie nach Deutschland ausreisen. Für Leni Rieke das Ende ihrer unbeschwerten afrikanischen Kindheit. Ein anderes Leben in der Wedeler Marsch.
Und heute Abend diese zusammen gewürfelte Menschengruppe, vom Licht eines Sonnenuntergangs vergoldet, wie man ihn selten erlebt, an diesem Ort, in der Galerie „Cavissamba“, als gäbe es keine Bedrohung durch das Corona-Virus, keine weltweite Krise, als sei ein solcher Abend im Juli 2020 in der Nähe Hamburgs ganz normal.
Thomas Pötsch (Donnerstag, 06 August 2020 09:19)
Sommerfestival
Ich weiß, ich weiß,
der Verzicht tut weh,
sehr sogar.
Bis auf weiteres verboten,
so hört man
und so wird es kommen,
gewiss,
in Zeiten der Pandemie.
Aber, wenn ich tue,
was ich gerne mag,
selbst wenn ich nur daran denke,
entfaltet sich
ein Sommer,
ein Sommerfestival in mir.
Ich mochte es
…auf Mamas Schoß zu sitzen
wenn sie mir ein Lied vorsang,
…Farben ineinander fließen zu lassen
und zu beobachten, wie sich Neue daraus ergaben,
…tiefe Löcher in die Sandkiste zu buddeln,
hineinzuspringen und mich dort zu verstecken,
…die feste Borke meines Baumfreundes
zu berühren und sanft zu streicheln,
….geräuschvoll die Luft aus prallgefüllten Luftballons
entweichen und im Sommer die feinen Sandkörner am Strand
zwischen meinen Zehen hindurchrieseln zu lassen…
Ich mochte und mag es immer noch,
…meine Nase in frisch gemähtes Gras einzutauchen,
…Bilder so lange zu betrachten, bis sie mit mir sprechen,
…eine Linie zu zeichnen und ihrer Spur zu folgen
…die Bläschen von Plastikverpackungen platzen zu lassen
oder in Zeitlupentempo Pappkartons zerreißen,
…die Seiten eines Taschenbuchs als Windfächer zu benutzen,
indem ich sie schnell scrolle,
…eine Schalplatte aus dem Cover zu nehmen, sie von Staub befreien,
auf den Plattenteller legen, vorsichtig die Nadel auf die Rille setzen und
gebannt den Klängen des Sommerblues zuzuhören
…im Meer eintauchen, die Beine eng an die Brust gedrückt,
die Luft entweichen lassen und langsam, tiefer und tiefer hinab zu sinken,
den Moment der Stille und das ruhige Gleiten genießen,
bis ich nicht mehr kann, umkehre und den Weg zum Licht nehme,
die Meeresoberfläche durchstoße, die frische Luft einatme,
und mein nasses Gesicht die Sonne lächelnd begrüßt und aufs Neue,
kaum abwartend, wieder eintauche.
Und besonders gerne mag ich,
wenn ich in meinen erstaunten Tagträumen
das mache, was ich schon immer gerne tun wollte,
…statt mit einer Maske am Arbeitsplatz, den ganzen lieben Tag
mit einer roten Clownsnase herumlaufen.
…auf einer Monsterwelle mit einem Delphin einen Tango tanzen,
…durch Zeiten wandern, neue Orte erkunden
und andere Wesen entdecken
…schlaraffisch froh auf der Eiffelturmspitze sitzen
und Hand in Hand, im Duett mit Lou Reed,
„It´s a perfekt day“ und ergänzend
„It´s a perfekt summerday“ zu singen,
…über den Grand Canyon auf einem Hochseil balancieren
und gleichzeitig mit Worten jonglieren,
…beim Kauf eines neuen Anzugs
mich von Leonard Cohen beraten zu lassen,
…zwischen dem Hier und Jetzt Brücken bauen,
im Dazwischen verweilen und Kleopatra verführen,
…mir Gandalf´s Zauberstab borgen und die Welt
und alle Menschen ein klein wenig bunter machen,
…als Klaviertaste unter Rachmaninow´s Fingern erregt vibrieren
und als Sonnenblume in van Gogh´s Bild verewigt werden.
Ich mag das,
oh ja,
ich liebe das,
ein Sommer in mir,
mein Sommerfestival.
Bin berührt, befreit, beflügelt,
im Zustand der Glückseligkeit.
Prägende Eindrücke, inspirierende Vielfalt,
verträumt, verspielt und leicht.
Bewege mich im Raum der Schwerelosigkeit.
Ein Trödelladen voller Zärtlichkeit,
Meer aus tausend Lichtern,
Wärme und Behagen,
rein und lachend,
sehnsuchtserfüllend
und magisch.
Und das Beste,
es ist erlaubt,
manchmal erwünscht,
und nicht selten sogar,
eine Zuflucht.
Jederzeit verfügbar,
Keine Begrenzung, kein Verbot, kein Verzicht.
Freiheit pur.
Ich darf,
ich kann,
ich muss nicht.
Habe stets die Wahl.
meine Entscheidung!
Und das Gute,
es ist kein Aufwand,
keine lange Anreise oder Vorbereitung nötig.
Genau genommen
ist es ganz nah
und nicht nur ein Ersatz,
das Sommerfestival in mir.
Thomas Poetsch (Donnerstag, 06 August 2020 09:29)
Menschlich
Die Grenze war längst erreicht,
überschritten sogar.
Und die Geduld hatte sich nach und nach
verflüchtigt.
Zu Beginn konnte sie es nachvollziehen,
obwohl sie fachlich wenig verstand.
Aber sie machte mit, ihre Freunde auch.
Nicht aus Überzeugung, …das nicht.
Sie waren den Empfehlungen und Anordnungen gefolgt,
schränkten sich entsprechend ein und hielten sich dran, …meistens!
War auch irgendwie Mal was anderes.
Täglich hatte sie davon gehört.
Im Fernsehen und Netz viel gesehen, oft zu viel.
Selber blieb sie verschont, ihr Umfeld ebenfalls.
Nie hatte sie jemanden live erlebt.
Lediglich am Bildschirm den Wahnsinn verfolgt.
Es schien real,…sicher,
aber manchmal auch nicht
und es war weit weg.
Irgendwann veränderte es sich.
Wann genau, konnte sie nicht sagen.
Der Unmut ihrer Freunde? Das nagende Alleinsein?
oder ihre aufkommende Sehnsucht:
wieder mit Menschen zusammen zu sein,
begann beharrlich in ihr zu pochen?
Bedrängte ihren Verstand
und fing an, ihr Recht einzufordern,
das Grundbedürfnis nach Verbundenheit.
Normal leben. Ist doch nur menschlich?
Ihre Freunde spürten das,…und sie auch.
Schließlich wurde gelockert,
teilweise sogar aufgehoben.
Der richtige Zeitpunkt zu starten.
Es gab jetzt ein Ziel, losfahren,
koste es was es wolle, einfach los.
Raus und weg, in die Ferne reisen,
um ihnen nah zu sein.
Sie umarmen und gemeinsam feiern.
Die Warnungen,
beunruhigenden Prognosen
und mahnenden Stimmen,
nahm sie zwar wahr, aber leise,
viel leiser, als vorher.
Sie ergaben auch kein Echo mehr.
Die Stimmen ihrer Freunde dagegen
waren sehr viel lauter.
„Lass es uns tun!“
Sie folgte diesem Gefühl des Zusammenseins,
sich sehen, umarmen und spüren,
streicheln, küssen und vereinen,
tanzen, flirten, lieben.
Gemeinsam sein.
Miteinander fühlen und sich erleben.
Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit
ausgiebig leben und befriedigen.
Alles in sich aufsaugen, es
genießen.
Nach Monaten
des unfreiwilligen Verzichts,
war das einfach zu kurz gekommen.
Viel zu kurz!
Nun würde es wieder anders werden.
Oh, ja!
Keine Regeln, keine Empfehlungen
keine Grenzen.
Sich frei bewegen,
frei entscheiden
und frei atmen.
Ohne Maske und
Abstandsregeln.
Vor allem keine Quarantäne mehr.
Ihr Verstand war der Macht
dieses einen Bedürfnisses gewichen.
Es lenkte ihr Denken,
bestimmte ihr Handeln
und trieb sie an.
Und plötzlich ging es schnell.
Gebucht, gepackt, geflogen,
angekommen an ihrem Urlaubsort.
Aber es waren viele dort, mehr als erwartet,
viel, viel mehr.
Massen, dicht an dicht gedrängt.
Wo sie auch hinschaute
Menschen.
Am Strand, in den Straßen, überall.
Ein Meer von Menschen.
Und für einen Moment
fühlte sie sich unwohl,
vielleicht war es Angst,
aber diese wich einem Gedanken,
einem einzigen Wort,
das sich in ihr Bewusstsein schlich:
„egal“
Sekunden später folgte sogar
ein „scheißegal!“
Sie wunderte sich über sich selbst,
aber nur ein wenig,
dann war sie nicht mehr zu halten
und ging
im wogenden Meer der Menschenmenge unter.
Thomas Pötsch (Donnerstag, 06 August 2020 09:38)
Gedanken eines Menschenfreundes
Ich besuchte einmal eine Vorlesung eines bekannten Professors, dessen Name mir entfallen ist. Der begann mit den Worten: „Meine Damen und Herren, für all das, was ich sagen werde, übernehme ich selbstverständlich die volle Verantwortung, aber für all das, was Sie gleich hören, müssen Sie selber die Verantwortung übernehmen, ich weiß ja nicht, was Sie hören werden. Halten Sie es wie beim Einkauf in einem Supermarkt, nehmen Sie das, was Sie brauchen und lassen liegen, was Sie nicht benötigen. So kann ich frei heraus sagen, was ich möchte und Sie hören das, was Sie hören wollen.“
Das hat mir gefallen.
In diesem Sinn:
Ich mag sie alle,
alle Menschen.
Manche mehr.
Zur Zeit besonders die Politiker.
Ja,…
und die Experten, die sogenannten Virologen.
Auch die mag ich,
besonders als die Krise ausbrach.
Erst war ich skeptisch,
das gebe ich zu,
aber dann passierte es,
ich nahm es wahr,
konnte es in ihren Gesichtern sehen,
klar und deutlich.
Zuerst irritierte es mich,
wahrscheinlich hatte ich etwas anderes erwartet,
zweifelte lange, sehr lange
war hin und her gerissen,
prüfte mich,
prüfte noch einmal
und ein letztes Mal.
Schaute mir zig Sendungen an,
um sicher zu gehen.
Beobachtete sie mit Argusaugen,
unaufhörlich,
unermüdlich.
Irgendwann waren die Zweifel verflogen
und ich war mir sicher,
absolut sicher.
Es war Unsicherheit
Keine versteckte,
sondern echte, natürliche, lupenreine Unsicherheit,
Und nachdem ich das erkannt hatte,
füllte sich plötzlich mein Pott,
mein „Mut-Zuversichts-Pott“
und ich hatte wieder Hoffnung.
Es fühlte sich gut an,
wie der langersehnte Regen,
der auf den ausgetrockneten Boden fiel,
der wiederum
einfach nicht genug bekommen konnte,
und alles, wirklich alles begierig in sich aufsog.
Plötzlich verspürte ich Dankbarkeit,
tiefe Dankbarkeit.
Unsicherheit, Wow!
Unsicherheit in seiner elementarsten, reinsten Form.
Was konnte es besseres geben?
Ein Geschenk!
Dieser verzückende, instabile Zustand,
der die Voraussetzung
für Veränderungen in sich trägt.
Sie erst ermöglicht,
dass etwas Neues entstehen,
etwas Neues in die Welt kommen kann.
Ich war glücklich,
tanzte vor Freude und
hatte Tränen in den Augen.
Ich wollte die ganze Welt umarmen,
wären da nicht die Ausgangssperren und
die Abstandsregeln gewesen.
So hätte es weitergehen können.
Nein, müssen!
Alles wäre gut.
Ist es aber nicht.
Als ich heute Morgen,
aus einem Impuls heraus,
nach wochenlanger TV Abstinenz,
den Fernseher einschaltete,
sah ich es,
genauer,
ich sah sie nicht.
Sie war verschwunden,
die Unsicherheit.
Ich konnt´s nicht fassen,
war im ersten Moment bestürzt,
fassungslos,
wie paralysiert.
Stattdessen sah ich
Sicherheit.
Nicht die Echte, die Reine, authentische Sicherheit.
Nein, ich sah die Andere,
die Aufgesetzte,
die, vor der ich mich fürchtete.
Schei… dachte ich,
….aber es war schön,
Vielleicht zu schön,
um wahr zu sein.
Nur ein Traum.
Trotzdem,
ich mag sie,
die Menschen,
…alle Menschen.
Thomas Pötsch (Donnerstag, 06 August 2020 09:45)
Hubschrauberlandeplatz
Die Erinnerung kam in dem Augenblick, als ich sie ohne Maske sah. „Hubschrauberlandeplatz“.
Es war das Wort, mit dem wir sie damals neckten, und das hing mit ihrer Nase zusammen. Diese erfuhr an der Nasenspitze eine ungewöhnliche Verbreiterung und einen wenig eleganten Schwung nach oben. Einmal landete eine Fliege dort und ehe Annette sie wegscheuchen konnte, hatte Thorsten gerufen: „ein Landeplatz für eine Fliege“.
Daraus wurde der Hubschrauberlandeplatz. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hänselten wir sie damit und je mehr es sie zu ärgern schien, desto stärker skandierten wir: Hubschrauberlandeplatz, Hubschrauberlandeplatz, Hubschrauberlandeplatz,… Sieben laute Jungenstimmen waren nicht zu überhören. Und irgendwann, wenn sie es nicht mehr aushielt, fing sie an zu heulen. Dann lief sie davon und wir, weiterhin laut brüllend, hinterher. Die Verfolgung endete meist erst in der Straße, in der sich ihr Elternhaus befand. Während sie in der Eingangstür verschwand, setzten wir zu einem letzten, volltönenden „Hubschrauberlandeplatz“ an und kehrten unter nicht endenden Gejohle um. Jedes Mal wenn das passierte, fühlten wir uns wie Helden, die scheinbar etwas Außergewöhnliches, Großartiges vollbracht hatten und auf den gesamten Weg zurück, wurden wir nicht müde, uns gegenseitig anzustacheln und einzureden, wie toll wir waren, die nächste Begegnung kaum abwartend.
Das lief irgendwann wie ein Ritual ab. Immer wenn wir sie trafen, ging es los. Einer fing an und dann stimmten alle mit ein. Bis auf das eine Mal, da war das anders.
Wir fingen Sie direkt auf dem Weg von der Schule ab. Und diesmal bildeten wir schnell einen Kreis, während wir bereits laut „Hubschrauberlandeplatz" anstimmten.
Ich weiß nicht wie lange das ging. Auf jeden Fall fing sie nicht, wie üblich, nach kurzer Zeit zu heulen an, sondern ließ es tapfer über sich ergehen. Und obwohl wir uns die größte Mühe gaben und lauter, zumindest kam es mir so vor, als je zuvor, sangen, wollten ihre Tränen nicht fließen. Im Gegenteil, irgendetwas musste in ihr passiert sein, sie stand aufrecht da und plötzlich schaute sie vom Boden auf. Jeden Einzelnen von uns sah sie direkt an. In Ihrem Gesichtsausdruck war kein Gefühl zu entdecken, weder Zorn, Wut oder Furcht, es wirkte neutral. Und je länger sie uns anblickte, desto leiser wurden unsere Stimmen, bis irgendwann keiner mehr sang und es mucksmäuschenstill war. Man hätte eine Feder fallen gehört, keiner sagte etwas, nur Annette, ein einziges Wort: „Danke!“ und dann ging sie langsam, aber aufrecht davon. Ich sah Annette an diesem Tag das letzte Mal.
Über dreißig Jahre später war es diese ungewöhnliche Nasenspitze, an der ich sie erkannte. Es war der Tag, an dem ich entlassen wurde. Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, mich persönlich beim Krankenhauspersonal zu bedanken. Ich spürte tiefe Dankbarkeit und ich wollte sie denen wiedergeben, die dafür gesorgt hatten, dass ich unbeschadet hier wieder herauskam.
Und als sie direkt vor mir stand und ich sie das erste Mal ohne Maske sah, erkannte ich sie.
Jetzt, als sie mir gegenüberstand kam die Erinnerung und die Zeit schien stillzustehen. Mir fehlten auf einmal die Worte, was mir selten passierte. Ich konnte sie nur ansehen. Wie lange das ging, weiß ich nicht, auch nicht, wie ich meine Sprache wiederfand, denn plötzlich kam ein „Danke!“ über meine Lippen. Dann wandte ich mich ab. Und als ich bereits auf den Ausgang zuging, drehte ich mich noch einmal um. Sie stand nach wie vor da und schaute zu mir hin.
„Ich bin froh, dass es Hubschrauberlandeplätze gibt, sie können Leben retten“, rief ich ihr zu und sah, wie sie leicht ihren Kopf senkte und wie sich, ein Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.
Jörg Jasper (Montag, 24 August 2020 21:41)
CORONA Hysterie , wie lange noch?
Tage, Wochen, Monate, Jahre ,..... verkürztes Leben wenn wir nicht aufstehen , verlorene Jahre für die Kinder und junge Generation.
Ein , nicht das Virus ist hereingebrochen, es steckt uns alle an ,da wir uns anstecken lassen aber nicht von dem Virus oder den Viren sondern von den Einschränkungen und den geschürten Ängsten.
Wir nehmen alles hin teilweise ohne Nachzudenken, nur Covid 19 und CORONA scheinen das Leben zu beherrschen. Keine Nachrichtensendung, keine Zeitungsseite ohne CORONA.Wir leben mit vielen Krankheiten, Seuchen nicht beherrschten Erregern,aber diese Pandemie schüchtert uns ein.
Wer hat vor dem Ausbruch über mögliche Ansteckungen bei Reisen in andere Länder nachgedacht?Wer hat seinen Nachbarn bei Fußballspielen, Sportereignissen,Kulturveranstaltungen mißtrauisch angeschaut? Welcher Arbeitgeber hat Beschäftigte mit Erkältungssymptomen nach Hause geschickt?
Viele behaupten die Welt soll nach Corona , gibt es nach Corona, eine andere sein.
Wo und wie hält das vereinte Europa zusammen , wo ist die ergriffene Chance der Zusammenarbeit in einer vereinten globalisierten Welt? Nach wie vor dreht sich alles nur um Geld und Macht. Mit Finanzspritzen ungeahnten Ausmasses soll ein Wiederaufbauprogramm gestartet werden, was ist denn kaputt gegangen? Wie soll die junge Generation das jemals zurückzahlen ?
Die Wenigen ,auch Wissenschaftler , die meinen das wir das Virus akzeptieren müssen und damit mit ihm und der Krankheit leben müssen. werden nicht gehört aus Angst , daß etwas nicht beherrschbar wird. Wann aber wird es nicht beherrschbar?
Wenn man die weltweit absoluten Zahlen zu Corona list , die schweren italienischen und spanischen Tage aus den Anfängen der Pandemie vor Augen hat , ist das schon bedrückend, aber die täglichen Informationen und Nachrichten werden zu stark von Corona beherrscht und die Sorge um unseren liebenswerten Planeten bleibt auf der Strecke.
Noch etwas beschäftigt mich . Hohe Bußgelder sollen erhoben werden , bei Verstößen gegen die Corona - Regeln . Ich bin ein starker Befürworter aber lasst uns gleichzeitig die Frage stellen wofür die eingesammelten Gelder verwendet werden sollen?
Ich wünsche mir Talkshows mit normalen Bürgern und nicht mit den immer wieder gleichen Politikern oder Prominenten.
Lasst uns gemeinsam mit viel Optimismus in jeden Tag gehen , es lohnt sich .
Das Leben ist schön , lasst uns leben und gutes tun!
Irene (Samstag, 05 September 2020 13:07)
Grau …?
Ich schaue aus dem Fester, aus reiner Langeweile. Und sehe Dächer, hohe und niedrige, alle flach, nein, einige schräg und mit Kaminbesatz. Die laden doch - und das begeistert mich - zum Springen ein! Ja, genau, von einem Dach zum anderen. Wenn man schon nicht reisen darf, und vor allem nicht mehr fliegen, jedenfalls nicht ohne gruselige Konsequenzen, könnte man doch so was mal machen.
Stimmt nicht ganz, man darf reisen und sogar fliegen, aber man weiß eben nicht, welche Nachwirkungen das hat. Und ob man zurückkommt, pünktlich oder überhaupt ... Über Dächer zu springen, hätte keine. Oder?
Ach, alles graue Theorie.
Ich schaue aus dem Fenster, aus reiner Langeweile. Jetzt, plötzlich, höre ich auch etwas, ein Geräusch, das in die Stille schneidet, ein Brummen, wie von Motoren ... Und ich habe die Vision von Flugzeugen. Sind es wirklich welche? Fliegen sie da oben noch? Oder schon wieder? Ich bin ja nicht mehr auf dem Laufenden, verbringe ich doch die meiste Zeit zuhause vor dem Fernseher mit Kaffee und Kuchen und jetzt gerade viel Eis. Und gänzlich ohne Nachrichten, ich möchte keine mehr hören. Zum Glück gibt es die Mediathek und meine täglichen Seifenopern gibt es auch, in denen die Welt noch in Ordnung ist. Nein, eigentlich ist sie das gar nicht, weil der eine die andere betrügt, und diese hier nur mit Intrigen unterwegs ist, und ist nicht erst der Anwalt neulich gestorben, weil er sich mutig vor seine Freundin warf, vor dem Schuss ...
Vor lauter Mitleiden und Mitglück bewege ich mich kaum noch, kann aber nicht davon lassen, vor allem nicht vom Eis. Den Corona-Bauch habe ich inzwischen auch. Man sollte und müsste - das höre ich unentwegt. Wenn man sollen täte und müssen wollte, wäre man durchtrainierter, schlanker und vielleicht sogar fröhlicher …
Ach, alles graue Theorie.
Aber springen - von Dach zu Dach - das stelle ich mir toll vor. Es fühlt sich so gut an, na, zumindest die Idee fühlt sich so an. Ich finde, das sollte man - in Corona-Zeiten und auch in anderen - einfach mal einrichten. Und anbieten. So dass man es buchen kann.
Ach, alles graue Theorie.
Ha, ihr Lieben, das muss es aber nicht bleiben !!
Ich dachte immer, so etwas sei illegal, aber eigentlich ist es doch völlig egal, ganz ohne ill … Denn was bislang legal war, ist es ja auch nicht mehr - das betrifft doch auch irgendwie das Äußern meiner Meinung … nein, ich gehe nicht ins Detail, ist doch mein Kommentar erst neulich nach einem fairen … oje ... einem fairen Magazin sofort gelöscht worden wie Hunderte andere … nein, er war friedlich, aber eben nicht so, wie man denken darf … Und das nur, weil ich von der Mediathek am Montag Abend ins Erste umgeschaltet habe.
Illegal? Ich probiere es jetzt einfach aus. Nicht neue Kommentare, nein nein! Sondern: Von Dach zu Dach werde ich tanzen. Mutig genug bin ich ja.
Das glaubt ihr nicht? Ihr werdet sehen!
Ich fahre mit dem Aufzug runter und suche mir eins der Häuser aus. Die Tür ist offen, die Treppe steil, mühevoll bis nach oben, puh … aber jetzt bin ich auf dem flachen Dach, nehme Anlauf …
… und erwache auf meiner Couch. Der Fernseher glüht schon, und das Eis ist inzwischen geschmolzen.
Graue Theorie wird das aber nicht bleiben. Ich mach's!
Wer fliegt mit?
Irene
Jörg (Donnerstag, 04 Februar 2021 19:16)
Aufbruch - wie es gehen könnte
Immer wieder werde ich wach von einem Traum , schaue auf das Smartphone. Klicke auf NTV und hoffe , daß der Spuk vorbei ist... und hoffe , daß es nun Verantwortliche und Politiker geschafft haben den Hebel in Optimismus , Hoffnung umzulegen. Nichts dergleichen, dabei könnte es einfach sein.
Ich (70) will auch nicht mehr hören was wir mal eben zurückstellen sollen , Breitensport , Reisen, Körperpflege (Frisör und Kosmetik), Kulturereignisse . Auch das Springen über Dächer ...
Meine Vorschläge wie wir mit diesem und weiteren Virenerkrankungen leben können :
- Kontakte bewußt und verantwortungsbewußt reduzieren und selbst nachvollziehen
- Breitensport und Betätigung im Freien zulasen und fördern - Ich sehe kaum Kinder in der Natur ?
- Hausmittel zur Vorbeugung und Behandlung anwenden
- Forschung , Wissenschaft und Entwicklung von Medikamenten intensiv fördern , aber Gewinnorientierung Pharmakonzerne überwachen.
- Verbesserung der Einkaufssituationen mit Rückkehr zu intensiven Hygienemaßnahmen (Desinfizieren, häufiges Waschen, Kleidungswechsel); Sortimente und Warenträger in Supermärkten reduzieren
- Einkaufs- und Öffnungszeiten sinnvoll und intelligent organisieren
- kulturelle Veranstaltungen , Kinos , Gottesdienste zulassen mit bewährten Hygienekonzepten
- Virus und Infektionen mit Symptomen als Krankheit akzeptieren
- verbleibende Zeit des Lockdowns nutzen um Schulen zu sanieren und zu modernisieren
- Politiker sollten nun endlich ein professionelles Krisen - und Projektmanagement entwickeln.
- Steuergelder nicht mit der Gießkanne verteilen , sondern gezielt und effizient (meßbar) einsetzen - Was passiert eigentlich mit den Corona - Bußgeldern.
.... und RÜCKKEHR ZU GESUNDEM MENSCHENVERSTAND!