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Schönheit – Auf der Spur eines Faszinosums
Gabriele von Arnim: Der Trost der Schönheit. Eine Suche, Rowohlt Verlag, Hamburg 2023
So tiefgründige wie eloquente Recherche in essayistischer Erzählprosa, zugleich erlesener Kompass durch die Höhen und Tiefen menschlicher Existenz.
An das bedeutsame Gedicht „An die Nachgeborenen“ mit seinem Beginn von immer neuer Aktualität gemahnend, „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten“, in dem Brecht bestürzt bekennt „Was sind das für Zeiten, wo/Ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist/ Weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt!“, sieht sich angesichts permanenter Krisen auch Gabriele von Arnim gleich zu Beginn dieser Spurensuche genötigt zu rechtfertigen, in dieser Gemengelage der Schönheit zu frönen. Dementsprechend sieht sie darin eine Art
„Verteidigung der eigenen kleinen Wirklichkeit gegen die WeltWirklichkeit. Gegen die nächtlichen Angriffe auf meine Gefasstheit. Wenn Bilderfetzen, Gedankenfragmente, Phantasien, Wirbel, Entsetzen und Hast als Flimmergestöber im Kopf durcheinanderstürzen. Gelesenes, Gehörtes, Erlebtes, Ängste, Hoffnungen, Nachrichten.“ LESEPROBE
Den Blick gerade in Zeiten wie diesen auf Momente von Schönheit zu richten, die uns in jedem Augenblick unseres Lebens umgeben mag, sind wir nur offen dafür, scheint zugleich eine Notwendigkeit, um seelisch und geistig zu überleben, als auch Geschenk, das wir uns tagtäglich selbst machen können. Und die in Hamburg promovierte Autorin weiß, wovon sie spricht, wie sie auch in ihrem berührenden Bestseller Das Leben ist ein vorübergehender Zustand (2021) über die eine Dekade währende Begleitung Ihres schwer kranken Mannes immer wieder auf Augenblicke der Schönheit rekurriert hat. (siehe hierzu unseren Buchtipp vom Juni 2021 im Archiv). Insofern ist Schönheit nicht zuletzt Zuflucht: „[E]in Blick, ein Stein, eine Rose, ein Wolkengarten. Die zärtliche Abendsonne im Nacken ... Die Zuflucht, die man sich schafft. Die kleine Heimat, die man braucht.“ LESEPROBE.
Stilistisch versiert, gespickt mit dem ihr eigenen philosophisch-literarisch-kulturellen Hintergrund, erhellt sie ihren Zugang zu dem so fragilen wie ambivalenten Phänomen. Denn wie alles ist Schönheit vergänglich, flüchtig. Da wir sie naturgemäß festhalten wollen, schmerzt es uns umso mehr, wenn sie sich wieder entzieht. Es stich uns ins Herz. Auch hat Schönheit für von Arnim weniger mit Makellosigkeit oder Vollkommenheit zu tun, was eher Erstarrung bedeutet, Stillstand und Tod, vielmehr beinhaltet Schönheit Lebendigkeit, sich innerlich und äußerlich bewegen zu lassen:
„Denn, wenn ich Schönheit sehe, höre, lese, spüre, dann glaube ich an Möglichkeiten, an Wege, Räume, Purzelbäume. Schönheit kann Gefühle befreien, kann uns den Mut geben, Neues zu wagen, oder die Kraft, Unveränderbares zu ertragen.“ LESEPROBE
Und, nicht zu vergessen: «Und was schön ist, bringt Freude», so nach der Autorin bereits von Euripides formuliert. Freude, die das Herz weitet und uns wieder mit der Sinnlichkeit des Lebens in Verbindung bringt, wie von Arnim es uns hier in ihrem glühenden Plädoyer im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz legt.
Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl
Unser Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Rowohlt Verlag in Hamburg