Sachbuchtipp April 2024

© erf

ADHS-Gehirne ticken anders

Umarme deine Einzigartigkeit. Es ist in

Ordnung, Dinge anders anzupacken

als die meisten Menschen.

 

Alice Gendron: DER MINI ADHS GUIDE. TIPPS UND TRICKS, DIE DEIN LEBEN LEICHTER MACHEN. Aus dem Englischen von Sabine Tatz. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2024

 

Das große Plus dieses Mini ADHS Guides ist sein Fokus weniger auf dem Diagnosebefund ADHS im Zuge pathologischer Festschreibung, als hier vielmehr die Einzigartigkeit der Betroffenen ins Zentrum der Betrachtung rückt. So sind nicht selten besonders kreative Menschen damit behaftet. Doch wie auch immer, werden hier die Stärken der von ADHS Betroffenen herausgestrichen, was alleine schon dazu beiträgt, dass die damit verbundenen Engpässe relativiert, sprich, so wenig wie möglich, so viel wie nötig, als Herausforderung der Betrachtung unterzogen werden.

Entsprechend knapp und übersichtlich ist der Guide aufgebaut, illustriert durch witzige Zeichnungen mit liebevoll leichtem Strich, die das Ganze auflockern. Bei aller Kürze ist das Ganze fundiert, informativ, dabei gut strukturiert. So wird der Leser in Teil 1 mit den Basics vertraut gemacht, was ADHS bedeutet, welche drei unterschiedlichen Typen es gibt und wie verbreitet die Symptomatik ist. Aber auch, wie man die Diagnose erstellt, erfahren wir hier. Den Schluss von Teil 1 bildet das ‚Kleine ADHS-Glossar‘. In Teil 2 wiederum werden wir anhand eines Fallbeispiels damit vertraut gemacht, wie sich der Alltag einer von ADHS betroffenen Frau gestaltet, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert ist. So etwa dem Phänomen des Hyperfokus, der übertriebenen Konzentration auf ein bestimmtes Thema, einhergehend mit Verlust des Zeitgefühls, was zur Folge hat, dass alltägliche Pflichten darüber entsprechend vernachlässigt werden. In Teil 3 „ADHS-TRICKS“ geht es um Strategien zur Alltagsbewältigung. Um Möglichkeiten etwa der Selbstüberlistung, um eine Integration in gesellschaftliche Abläufe, wie im Berufsalltag postuliert, zu gewährleisten. Mit ermutigenden, anschaulich präsentierten und leicht umzusetzenden Tipps bekommt der Betroffene eine Art Methoden-Koffer an die Hand, Hilfe zur Selbsthilfe. Sei es Musik zur Steigerung der Konzentrationsfähigkeit, Checklisten, Farbmarkierungen, um nur einige zu nennen. Wobei einerseits Autonomie gewahrt, andererseits Selbstwirksamkeit erfahren wird, was wiederum zur Stärkung der Ihm eigenen Ressourcen beiträgt – Kern dieses durchweg empfehlenswerten Guides nicht nur für Betroffene, sondern auf für deren Angehörige und Freunde.

Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl!

Unser Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg

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Sachbuchtipp Januar 2024

© Hartmut Fanger

Embodyment aus ganzheitlicher Sicht

Karsten Richter & Nataly Bleuel:  Blockaden Lösen. Wie wir wieder in den Flow des Lebens kommen, Rowohlt Verlag, Hamburg 2024

Wer kennt es nicht. Das Passwort für ein Handy, ein Computerprogramm fällt uns nicht mehr ein, in einer Prüfung bleibt die uns eigentlich geläufige Antwort auf eine uns gestellte Frage einfach aus oder es ereilt uns gar ein Hexenschuss, der unsere Bewegungsfähigkeit einschränkt. In der Regel handelt es sich dabei um Blockaden, die wir mit Hilfe relativ einfacher Methoden lösen können.

Der  renommierte Osteopath, Physiotherapeut und Heilpraktiker Karsten Richter und die mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalistin Nataly Bleuel gehen in diesem lesenswerten, 268 Seiten umfassenden Buch dem Phänomen nach, suchen nach Ursachen und vor allem Lösungen, zeigen zudem auf, wie wir wieder in Fluss kommen. Zahlreiche praktisch anwendbare Übungen helfen uns dabei. 

Vor allem geht es um das „Zusammenspiel von Soma und Psyche“, um „Anatomie und  Physiologie“ – schließlich den Menschen in seiner Ganzheit. So gesehen, erweisen sich westliches und östlichen Menschenbild als diametral entgegengesetzt. Und während bei Ersterem in der Medizin traditionell die Trennung von Körper und Geist vorherrscht, finden wir bei Letzterem die einheitliche Sichtweise, in der es eben keine Trennung „zwischen Kopf und Körper, Geist und Materie, Seele oder Leib, body and mind“ Leseprobe gibt – treffend im Tao-Zeichen versinnbildlicht.

Eben diese östliche Sicht aufgreifend, entwickeln die Autoren das sogenannte „Embodyment“, was nichts weiter bedeutet als das ‚Denken vom Körper her’: „Wir benutzen unseren Kopf nicht nur, um den Körper zu kontrollieren, sondern wir sind dieser Körper, um mit der Welt zu kommunizieren.“ Leseprobe

Ziel des Buches ist es wiederum, die Verbindung zwischen Körper und Geist zu stärken. Dementsprechend mahnen die Autoren vor allem an, das Fühlen wieder in den Blick zu nehmen:  „... wenn wir wieder mehr ins Fühlen kommen und anfangen, mit dem Körper zu denken –,  werden sich viele Blockaden gar nicht erst einstellen.“ Leseprobe

Hilfreich dabei sind die oben bereits angedeuteten zahlreichen Übungen – von Atem-, Bewegungs-, Schreib-, Sing- bis Sitzübungen („Zazen“) ... Allein schon die Überschriften stimmen neugierig und inspirieren: ‚Den inneren Schweinehund streicheln“,  „Stell dich tot“ oder „Loses Maul“. Weitgehend bequem zu Hause aus anzuwenden, lassen sie sich mühelos in den Alltag integrieren und ersparen so manchen Gang zum Physiotherapeuten. Das Ganze wunderbar leicht geschrieben, verständlich und informativ!

Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl

Unser Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Rowohlt Verlag in Hamburg

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Sachbuchtipp des Monats Januar 2024

 

© erf

Vom Streben nach Glückseligkeit

Warum die Beatles einst in Indien einen Guru aufsuchten

 

Das Einzige, was nötig ist: einverstanden zu sein mit dem, was ist, ganz und gar einverstanden zu sein  Das ist der Boden der Liebe und der Hingabe. Die Liebe überschreitet das Persönliche, und deine Hingabe öffnet dich für das Größere ... Christian Meyer

 

Christian Meyer: Erleuchtung kann jeder. Eine klare Anleitung für deine Transformation. Verlag Gräfe & Unzer/Unum, München 2023

 

Mit diesem Werk, in dem sich Tradition mit Moderne, westliche mit östlicher Spiritualität, psychologische mit spiritueller Weisheit verbindet, hat der Diplompsychologe und spirituelle Lehrer Christian Meyer, Jahrgang 1952, ein so einzigartiges wie grundlegendes Kompendium vorgelegt. Es befähigt, in die Eigenverantwortung zu kommen und das einem jeden eigene Schöpferpotenzial zum Leuchten zu bringen. Dies weist ihn wiederum als Vertreter der Humanistischen Psychologie aus, deren zentrales Anliegen die individuelle Entwicklung des Menschen hin zu Selbstverwirklichung und Autonomie ist.

Zugrunde liegt dem eine über 40 Jahre währende, tiefgreifende Erforschung der Frage in Theorie und Praxis, was in der Psychologie und in den verschiedenen spirituellen Ansätzen Menschen hilft, zu wachsen und in einen Zustand der Glückseligkeit zu gelangen – unabhängig von äußeren Bedingungen, die permanenter Veränderung unterliegen. Die im wahrsten Sinne des Wortes zündende Erfahrung machte er 1999 in einem Retreat mit Eli Jaxon-Bear, Psychologe und Enneagramm-Lehrer, der Spiritualität mit psychologischem Fachwissen verbindet. Dieser gelangte zu der entscheidenden Erkenntnis, dass die z.B. von Osho, aber auch in anderen Meditations-Lehren verbreitete Ansicht, durch die Distanz im Zuge von Selbstbeobachtung sich von seinen Leiden zu befreien, ein Irrweg sei. Dass man sich dadurch nur noch mehr von seinem eigenen inneren Erleben, seiner Lebendigkeit entfremde und abspalte. Sein Ansatz ist, alles, was sich an Empfindungen und Gefühlen zeige, zuzulassen, zu fühlen, ohne es zu analysieren, sprich, ohne den damit möglicherweise verbundenen Traumata aus der Vergangenheit Beachtung zu schenken. Vielmehr gehe es darum, sich im gegenwärtigen Moment voll und ganz auf das Fühlen ein-, sich dort hinabsinken, alles was an Regungen sich zeige, gewähren zu lassen. Ein nicht selten schmerzhafter Prozess, verbunden mit Todesangst. Lässt man dies zu und ist der Widerstand gegen die Wucht der Gefühle erst einmal gebrochen, kann man eines Zustandes des Gelöstseins, der vollständigen inneren Ruhe gewahr werden, eines Zustands der Glückseligkeit, ja Erleuchtung. Das bedeutet zugleich, die Welt so wahrzunehmen, wie sie ist, frei von der eingeengten Perspektive des Ichs.

Spannend wiederum, dass diese Erkenntnisse sieben Jahrhunderte vorher schon von Johannes Tauler und Meister Eckhart, beides Vertreter christlicher Mystik, verbreitet und angewandt wurden. Ihrer Zeit weit voraus, war dies wohl der Grund, dass die hohe Wirksamkeit ihrer Mission, sich in das Innere zu vertiefen und sich auf diese Weise selbst zu erforschen und Erleuchtung zu erfahren, zunächst in Vergessenheit geraten konnte und erst im frühen 19. Jahrhundert erneut aufgegriffen wurde. Aber „In der Spiritualität ist alles Wichtige ewige universelle Weisheit.“ Leseprobe

Kenntnisreich die Erhellung des historischen Hintergrunds, beginnend mit den Veden vor ca. 4000 Jahren, den ältesten Aufzeichnungen Indiens, die von der Befreiung des Menschen im Zuge des Erwachens schreiben. In den folgenden 3000 Jahren entwickelte sich Yoga als Weg der Erleuchtung, aber auch die je nach Kultur unterschiedliche Gewichtung. So ging es in Indien und China zunächst vornehmlich um Befreiung per se, danach um Befreiung vom Leid. Im abendländischen Kontext wiederum stand die Suche nach Wahrheit im Zentrum, während im Christentum der Aspekt der Liebe Vorrang hatte.

Bemerkenswert, dass im Gegensatz zu der Entwicklung seit den 90er Jahren Erleuchtung in den 70ern und 80ern als Thema durchaus en vogue und in vielen Bereichen präsent war, während man von Spiritualität eher weniger sprach. So verweist Meyer etwa auf die Beatles, die in Indien ihren Guru aufsuchten, Einschnitt, der sich auch musikalisch niederschlug und woraus ihr psychedelischer Stil resultiert. In Scharen folgten junge Leute Osho, praktizierten Yoga und erprobten neue Formen des Zusammenlebens, um Erleuchtung zu erlangen. Ja wir hatten 1979 in Deutschland, vorgeschlagen von Willi Brandt, mit dem Physiker und Philosophen Carl Friedrich von Weizsäcker beinahe einen erleuchteten Bundespräsidenten, der dieses Amt jedoch ablehnte. Seine Erleuchtungserfahrung hat er in Büchern beschrieben und in Radiosendungen publik gemacht.

All dies ist in den 90er und 10er-Jahren des dritten Jahrtausends in den Hintergrund getreten. Jetzt, im Zuge der umfassenden Transformation, in der die Menschheit begriffen ist, scheint es eine neue Aktualität zu gewinnen. Die zahlreichen praxiserprobten Übungen und Tipps mögen dazu beitragen, der Sehnsucht nach Freiheit, Wahrheit und Liebe wieder Raum zu geben, sie zunehmend ins Bewusstsein zu rücken – ‚Erleuchtung kann jeder‘!

 

Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl!

 

Unser Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Gräfe & Unzer Verlag/Unum

Sachbuchtipp November - Dezember 2023

© erf

Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.

Astrid Lindgren#

Von der vielfältigen Kunst, sich eine Pause zu gönnen

 Andrea Gerk, Moni Port: Pause! DAS KLEINE GLÜCK DAZWISCHEN. Verlag Kein & Aber, Zürich-Berlin 2023

 

Sage und schreibe 46 Arten, der Pause zwischendurch zu huldigen, hat Andrea Gerk hier aufgegriffen, ein richtiges Kompendium, klein und kompakt. Umso erstaunlicher die verlockende Fülle darin, zum Nichtstun einladend, was in unserer leistungsbetonten Gesellschaft zugleich etwas Subversives hat. Das Ganze überdies von Moni Port hinreißend witzig illustriert, wie schon das Cover verspricht. Dabei wartet das Kleinod, neben der unterhaltsamen Beschreibung der unterschiedlichen Arten von Pausen, mit jeder Menge Hintergrundwissen auf. Sei es mit der Etymologie des Begriffs ‚Pause‘, sei es mit dessen Definition im ehrwürdigen Grimm’schen Wörterbuch, wie auch Literaturangaben am Schluss nicht fehlen.

 

Gleich aus dem Vorwort wiederum erfahren wir, was eine der schönsten Pausen ist – nämlich die auf dem Berg nach einem anstrengenden Aufstieg und bei bester Aussicht, wo einem die Welt buchstäblich zu Füßen liegen mag. Ebenso aber auch, dass Pausen eine physische Notwendigkeit sind. Angesichts dieser Tatsache wird der Pause deutlich zu wenig Aufmerksamkeit gezollt. Dieses Manko ist mit Gerk/Ports kleinem feinem Pausenbuch behoben. Angefangen von der geläufigen Mittagspause bis, last but not least, der Pause von sich selbst navigiert der Leser mit Vergnügen durch ‚das kleine Glück dazwischen‘. Sei es die Sommer-, Denk- oder Pinkelpause oder gar die diversen Pausen der anderen – so etwa die Teatime der Briten oder Teetied in Ostrfriesland, sei es die Kreative, Musikalische oder Ungeplante Pause. Animierend die Lieblingspause, wie etwa ‚tagsüber ins Kino zu gehen‘. Aber auch Pausenräume werden erkundet, Löcher und Lücken, Kunst-, Meno- oder Feuerpause. Kurz: Hier gibt es Pausen für alle Lebenslagen, und das in Buchform – ideal zum Verschenken nicht nur zur Weihnachtszeit.

 

Aber lesen Sie selbst, lesen Sie wohl!

 

Unser Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Verlag Kein & Aber, Zürich-Berlin 2023

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