© Hartmut Fanger
«Narrative Expositionstherapie»
Was man gegen Traumata und Verlusterfahrungen tun kann
Dr. Maggie Schauer mit Nataly Bleuel:
Die einfachste Psychotherapie der Welt. Wie wir die Ursache von Stress und Krankheit behandeln und den Kreislauf von Trauma und Gewalt durchbrechen, Rowohlt Verlag, Hamburg 2024
Die von der renommierten und preisgekrönten Psychologin und Spezialistin für Traumabehandlung, Dr. Maggie Schauer, entwickelte Narrative Expositionstherapie ist eine in Zeiten der Auswirkungen von Pandemie, zunehmenden Umweltkatastrophen, Kriegen, Anschlägen, Missbrauch und Unglücksfällen aller Art eine so hilfreiche wie konstruktive Methode, Traumata zu verstehen und aufzulösen. In ihrem neusten Buch führt sie nun, zusammen mit der bekannten ZEIT-Autorin und Wissenschaftsjournalistin Natalie Bleuel, „Die einfachste Psychotherapie der Welt!“ vor Augen.
Einfach deshalb, weil sie sich nach Schauer “für alle Menschen, Betroffene und Therapeuten, in allen Kulturen“ [Leseprobe] eignet. Der Begriff ‚narrativ‘ beinhaltet ja bereits den Ansatz: Es geht dabei vor allem um „Erzählen und Zuhören“. Dabei ist hier mit ‚Narration‘ „eine bestimmte Form der Erzählung von Lebensgeschichten“ gemeint. Die „Exposition“ wiederum bezeichnet dabei das jeweils von einem hilfestellenden Zuhörer begleitete, in Worte gefasste „Wiedererinnern und Wiedererleben“, das dem Traumatisierten zu einem späteren Zeitpunkt vorgelesen wird und sich in den Sitzungen als besonders tiefgreifend erwiesen hat.
Schauer belegt dies durch zahlreiche Fallbeispiele. Detailliert und ungeschminkt erzählen Patienten von ihren traumatischen Erlebnissen. Wahrlich kein leichter Stoff. Es geht zum Beispiel um Worte, die für ein Kind verletzend sind und an denen die Betroffenen noch bis ins hohe Alter leiden, ja sogar aufgrund eines geschwächten Immunsystems ernsthaft erkranken können. Ein ganzes Kapitel handelt dann auch von „Frühes Trauma und spätere Krankheit“. So erzählt die inzwischen 30jährige Ella detailgenau – bis an die Schmerzgrenze des Erträglichen –, wie sie in ihrer Kindheit von ihrem Opa sexuell missbraucht wurde, Jani wiederum verdeutlicht ihre von Vernachlässigung und Angst vor der Mutter geprägte Kindheit, der neunjährige Marco, wie er im Zuge der Narrativen Exposition ermutigt wird, ein von ihm erlebtes Erdbeben von außen zu schildern.
Wobei Schauer sich von anderen Therapieansätzen dezidiert abgrenzt. So etwa von der ‚Tresor‘-Methode, wo der Patient die ihn belastenden Erinnerungen in einen inneren Safe einschließt und dort verwahrt, um auf Dauer genügend Distanz zu den Ereignissen zu erlangen. Dagegen zeugen die Ergebnisse langjähriger Untersuchungen Schauers von der Fähigkeit unseres Gehirn, sich selbst zu regulieren:
„Die traumatische Vergangenheit schlüpft immer wieder aus der «Box», sofern die Erinnerungen an die belastenden Erfahrungen nicht durch eine traumafokussierte Therapie aktiv verarbeitet werden.“ [Leseprobe]
Spannend in diesem Zusammenhang auch das Fallbeispiel von Thomas, dessen Angst während eines Fallschirmsprungs im Rahmen von Untersuchungen der Standford University mithilfe von Elektroden am Körper dokumentiert wird. Versuch, sie messbar zu machen, der dann bei einem erneuten Sprung anzeigt, wie sich die Angst mindert, am Ende ‚Positives wie Nervenkitzel und Abenteuerlust‘ zurückbleibt. Bei Traumatisierten, die im Zuge des Erleidens einer entsprechenden Situation einen ähnlichen Stressverlauf zu verzeichnen haben, bleiben hingegen ‚Schrecken und Hilflosigkeit, das Gefühl des totalen Ausgeliefertseins‘ bestehen und machen somit eine Narrative Expositionstherapie umso dringlicher.
Hilfreich zur „Identifikation von Trauma“ sind die Materialien im Anhang mit „drei Interviews zur Erfassung von belastenden Erfahrungen und Risikofaktoren“, überdies die darin enthaltenen Fragebögen.
Doch lesen Sie selbst, lesen Sie wohl!
Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Rowohlt Verlag