Dr. Erna R. Fanger und Hartmut Fanger MA

Seit über 25 Jahren erfolgreiche Dozenten für Kreatives und Literarisches Schreiben, Fernschule, Seminare, Lektorat

Schreibschule Buchtipp für Junge Leser
Buchtipp für Junge Leser

Buchtipp für die Jüngsten

© Erna R. Fanger: 

Das Nachtleben der Tannenbäume 

 

‚Hiltrud Schönenbach-Schleining, illustriert von Christiane Leptien: Der TannentanzHamburg 2018

            

Jeder, ob klein, ob groß, kennt und fürchtet es ein bisschen: wenn nach dem Lichterglanz der Weihnachtszeit mit dem geschmückten Tannenbaum der Alltag wieder einkehrt. Es soll welche geben, die sich bis Mariä Lichtmess Anfang Februar nicht davon lossagen und erst danach von ihrem Tannenbaum trennen können. Aber wer macht sich schon Gedanken, wie einem Tannenbaum dabei zumute ist. Dieses Geheimnis hat Hiltrud Schönenbach-Schleining nun in ihrem liebevoll in fröhlichen Farben von Christiane Leptien illustrierten „Der Tannentanz“ gelüftet: Die Weihnachtsbäume langweilen sich! Ohne Besuch, ohne Kinder. Und sie vermissen die wunderbaren Düfte nach leckerem Braten, nach Lebkuchen und Zimt. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern, dass man sie aus den Stuben trug und am Bürgersteig, an Straßenecken und auf dem Marktplatz zur Abholung bereit legte. Für die Menschen, ob klein, ob groß, kein schöner Anblick. Doch sobald die Dunkelheit sich über die Stadt legt, tut sich, von den stets geschäftigen Menschen unbemerkt, etwas unter den Tannen. Die richten sich auf und rufen sich zu „heute gehen wir zum Tanz“. Und sobald die Menschen schlafen, fangen die Tannen an im Laternenschein zu tanzen. In Wort und Bild vermittelt sich auf höchst vergnügliche Weise, welch ein ungeheurer Spaß das ist und in welch lustiger Vielfalt dies vonstatten geht. Die Tannen hopsen und hüpfen, allein, zu zweit, in Gruppen, im Kreis. Keinen Tanz scheinen sie auszulassen. Ob Ringelreihen, Walzer oder Polonaise. Die ganze Nacht hindurch. Erst als die Sonne wieder hervorkommt, legen sie sich schlafen. Und die Menschen? Haben nichts davon mitbekommen. Und weil sie so immer so beschäftigt sind, haben sie nicht einmal bemerkt, dass die Tannen mit einem Mal verschwunden waren. Allesamt. 

 

Aber: Selber drin blättern, schauen und staunen macht schlau – viel Spaß dabei!

 

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt Hiltrud Schönenbach-Schleining 

Buchtipp für die Jüngsten

©  Hartmut Fanger & Erna R. Fanger:    

Für Träume ist es nie zu früh!

Text: Anja Tuckermann, Bilder: Mehrdad Zaeri & Uli Krappen: „Der Mann, der eine Blume sein wollte“. Tulipan Verlag, München 2018

Nature-Writing heißt der neue Trend, bislang vornehmlich im Sachbuchgenre angesiedelt, indessen auch in Belletristik und Dichtung zu finden. Mit „Der Mann, der eine Blume sein wollte“, von Anja Tuckermann scheint dies nun auch im Kinderbuch-Genre angekommen. So hinreißend wie ästhetisch ansprechend illustriert, wird mit relativ wenigen Worten die Geschichte von einem Mann erzählt, der sich was traut. Es reicht ihm nicht mehr‚ ‚zur Arbeit zu gehen, in seiner Freizeit Fußball zu spielen und zu Hause fernzusehen’. Ja, wie bereits der Titel des Buches verrät, träumt er vielmehr davon, als Butter- oder rote Mohnblume ‚auf einer Wiese zu stehen’ und so hoch wie möglich zu wachsen. Auch als Blüte an einer Linde zu hängen, wäre vorstellbar. Für einen Mann ein starkes Stück, das wahrlich keiner Konvention folgt, sondern Ernst macht mit den Träumen, schienen sie noch so ‚abwegig’. Schließlich geht er ‚zum Fasching als Blumenwiese’ und lernt dort eine ‚blühende rote Tulpe kennen’. Beeindruckend in Text und Bild, wie sich der Protagonist in seinen Vorstellungen als Blume verwandelt. Doch mit der Verwandlung des Protagonisten wandelt sich auch alles ringsum. Die zuvor noch graue Welt wird nach und nach immer farbenprächtiger. Nicht verschwiegen sei, dass Anja Tuckermann am Schluss verrät, dass ihr die Idee dazu während einer Schreibwerkstatt im Goethe Institut in Indien gekommen sei, Uli Krappen sich von dem ‚traumhaften Text’ zu dem ‚Aufbau einer Blumenekstase’ anregen ließ, was ihm wahrlich gelungen ist. Insbesondere die fantasievollen Blumengebilde zu Beginn und am Schluss mit so außergewöhnlichen, witzigen und originellen Namen, wie „Lichtgestalt“, „Vernunft hat Zukunft“, „der Verwalter“, „Feinsliebchen“, „der Hausarzt“, „Frau Spannböck“ oder „Heather“, setzen, fernab jedweder gängiger Zuschreibung, Fantasie frei. 

Aber selber lesen und staunen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Tulipan Verlag!

Buchtipp Monat Juni 2018 für die Jüngsten  ©  Hartmut Fanger:                                                   

Fußball auf Kreolisch!

„Das Spiel“ von Baptiste Paul, illustriert von Jacyueline Alcántara.Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Bodmer, NordSüd Verlag AG, Zürich 2018.

Baptiste Paul zeigt in seiner Anmerkung zugleich auf, welche Bedeutung dieser Sport von Kindheit an für ihn, aber auch für sein Herkunftsland hat, in dem ‚wenig wie geplant läuft’. Umso eklatanter erweist sich im Spiel, wie wichtig es für jeden ist, sich Herausforderungenzu stellen, nicht aufzugeben und auf jeden Fall weiterzuspielen. Darüber hinaus macht er deutlich, woraus sich seine Heimatsprache zusammensetzt, warum ‚einige kreolische Wörter ähnlich wie Wörter aus dem Französischen, Englischen, Hindi und anderen Sprachen’ klingen.  Schön, dass es am Schluss ein Glossar gibt, in dem die kreolischen Wörter nach ihrer Aussprache und ihrer deutschen Bedeutung aufgelistet sind. 

Die hinreißende Bebilderung der jungen Illustratorin und studierten Fotografin aus Chicago Jacqueline Alcántara gewährt einen großartigen Einblick in Land und Leben der Leute. Fußball wird, wenn es sein muss, auch zwischen Kühen auf einem Acker gespielt und im strömenden Regen, egal, ob die Kids dabei ausrutschen, eine Bauchlandung im Matsch machen und nach der Pause barfuß weiter laufen müssen. Auch wenn die Mamas zum Abbruch rufen, es wird weitergespielt. Umso erhebender, wenn dann endlich das „Tooooooooor“ erklingt. Erst in der Dämmerung wird mit ‚klatschnassen Schuhen’ und ‚schmutzigen Hemden’, ein ‚zerwühltes Feld’ hinterlassend, der Heimweg eingeschlagen. Und in der Nacht träumt man natürlich von nichts anderem als dem nächsten Fußballspiel. 

Ein Buch, das dann auch Väter und Mütter zusammen mit ihren Kindern von Fußball träumen lässt und von den vielen kleinen und große Entdeckungen, die damit einhergehen können. So zum Beispiel, welchen Stellenwert er in einem so kleinen, exotisch anmutenden Inselstaat in der Karibik wie Saint Lucia innehat. 

Aber: Selber ansehen und lesen macht schlau!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt NordSüd-Verlag AG!

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Siehe auch unseren Buchtipp für Jung & Alt Keri Smith

Siehe auch unseren Buchtipp für erwachsene Leser Arthur Istrien

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Buchtipp des Monats für die Jüngsten Mai 2018

Jeder ist wichtig!

„Plingpling flippt aus. Wie die kleine Triangel im Orchester groß rauskommt.“ Illustriert von Mone Seidel.E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2018.

 © Erna R. Fanger 

Nur eine kleine Triangel ist Plingpling im großen Orchester, das um die ganze Welt reist, in Salzburg ebenso spielt wie in Helsinki, Tokyo, Buenos Aires oder San Francisco. Das gefällt Plingpling gar nicht. Traurig, wütend und neidisch ist sie: ob auf die tragenden Stimmen der Geigen, den arroganten Konzertflügel, ob auf die überempfindliche Harfe. So klein und nutzlos fühlt sich die kleine Triangel angesichts all der gewichtigen Instrumente um sie herum, dass sie es einfach nicht mehr aushält und – ja, wer hätte es gedacht – explodiert, explodiert mit einem riesigen Getöse. Mitten hinein in die Stille unmittelbar vor Konzertbeginn. Alle sind zutiefst erschrocken. 

Da erst fällt den Geigen, dem Konzertflügel und der Harfe auf, was mit Plingpling los ist. Und sie machen ihr klar, wie viel wichtiger sie in Wahrheit ist, als sie denkt. Dass ihr Klang einzigartig und schön ist wie ein kleiner Stern. Und Plingpling begreift nach und nach: Auch wenn sie ein kleines Instrument ist, ist sie doch ebenso bedeutend wie die großen Instrumente. Jeder ist wichtig, wenn man gemeinsam spielt. Und so geht sie gestärkt ihrem großen Auftritt entgegen. 

Auf solch spielerische Weise werden Kinder ab vier hier damit vertraut gemacht, dass augenscheinliche Hierarchien, wo die Großen offenbar das Sagen haben, auch anders betrachtet werden können. Jeder hat seinen Platz und seine Rolle im großen Ganzen: „Jeder ist wichtig!“

Dabei lebt dieses Bilderbuch im wesentlichen von den so liebe- wie fantasievollen, fast zärtlich anmutenden Zeichnungen, nicht ohne Humor, die Jung & Alt sofort in den Bann ziehen.

Aber: Selber ansehen und lesen macht schlau!

 Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem E. A. Seemann Verlag!

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Buchtipp des Monats für Junge Leser April 2018

© Erna R. Fanger 

Ökologie für Anfänger

Duncan Beedie: „Willibarts Wald“

Aus dem Englischen von Kristina Kreuzer, Magellan GmbH & Co. KG., Bamberg 2018

Dazu angetan, bei den Jüngsten den Grundstein für Umweltbewusstsein zu legen, kommt dieses Bilderbuch hingegen ohne erhobenen Zeigefinger aus. Erfrischend witzig illustriert, kühn in der Farb-, originell in der Formgebung, vermag es Kinder in den Bann zu ziehen. Sprachlich wiederum überzeugen die zahlreichen lautmalerischen Begriffe. So, wenn etwa Willibart, der Holzfäller, mit seinen ‚großen, breiten Schultern und dem noch größeren Rauschebart’, wohnhaft in einer Blockhütte im Wald, „nach einem langen Tag voller Reißen, Knicken, Brennenund Knistern“‚ ‚zurück zu seiner Hütte trottet’. Nach der Morgengymnastik pflegt er einen Riesenberg Pfannkuchen mit Ahornsirup zu vertilgen. Danach geht er mit seiner Axt in den Wald, wo er einen Baum nach dem anderen fällt, was, „Hack-Hacke-Hack“, durchs ganze Tal schallt. Sehr zum Verdruss ‚eines kleinen, wütenden Vogels’, der sich am Abend bitter beklagt, dass Willibart dabei sein schönes neues Nest zerstört habe. Der lädt ihn, nachdem er sich am mächtigen Bart gekratzt hat, kurzerhand ein, darin zu wohnen. Doch damit nicht genug. Mit jedem Eingriff in die Natur muss Willibart zur Kenntnis nehmen, dass er Lebensraum zerstört. So, wenn er Äste und Zweige vom Baumstamm entfernt, sie verbrennt und damit den Bau des Stachelschweins zunichte macht. Verärgert beklagt es sich, woraufhin Willibart es, wie zuvor schon den kleinen Vogel, einlädt, mit in seinem mächtigen Rauschebart zu wohnen. Dass diese Lösung nun auch nicht ideal ist, zeigt sich am nächsten Morgen, als er sich, wie üblich, durch den Bart streicht. Da stecken nämlich in seiner Hand nicht nur Stacheln vom Stachelschwein, sondern es klebt daran auch noch Vogeldreck. Aber bevor er sich darum kümmern kann, muss Willibart „die Baumstämme den Fluß hinunter zum Holzlager treiben lassen.“ Damit wiederum lädt er den Zorn des Bibers auf sich. Die im Wasser treibenden Baumstämme haben nämlich seinen neuen Damm „komplett zerstört“. Nicht nur der kleine Vogel, das Stachelschwein und der Biber sind jetzt aufgebracht, auch Willibart setzt das zu, so dass er kaum Schlaf findet in der Nacht. Als am nächsten Morgen dann auch noch der Biber mit seinem Schwanz diSiehe auch unseren Buchtipp für erwachsene Leser Tommi KinnurenPfannkuchen vom Tisch fegt, ist er mit seiner Geduld am Ende und will die Drei vor die Tür setzen. Auf die entsetzte Frage hin, wo sie denn dann wohnen sollten, kommt Willibart eine Idee. Und angesichts der nackten Erde, die zuvor noch bewaldet war, hat er einen weiteren, einen großartigen Einfall ... 

Aber: Selber hören und sehen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt der Magellan GmbH & Co. KG!

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und unseren aktuellen Sachbiuchtipp Peter Graf: Grimmsche Wörterbuch

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Buchtipp des Monats für Junge Leser März 2018

Philosophie für Vierjährige?

© Erna R. Fanger 

Brendan Wenzel: „Alle sehen eine Katze“. Aus dem Englischen von Thomas Bodmer. NordSüd Verlag AG, Zürich 2018

Kann man Vierjährige an philosophische Fragen heranführen? Brendan Wenzel kann. In „Alle sehen eine Katze“ zum Beispiel veranschaulicht er mit humorvollem Strich in kräftiger Farbe, plastisch getextet, nicht nur, wie eine Katze ‚durch die Welt geht’, nämlich „mit ihren Schnurrhaaren, Ohren und Pfoten ...“, sondern darüber hinaus, wie sie aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen wird. Da ist zum Beispiel das Kind, das in der Katze offensichtlich einen Freund sieht. Im Gegensatz zum Hund, der ihr eher feindselig gegenüber steht, was sie ihm unmissverständlich widerspiegelt. Ganz anders der Fuchs, der in ihr eine willkommene Beute wittert und vor dem die Katze panisch flieht. Der Fisch in seinem Aquarium sieht durch das Wasser hinter Glas verschwommen lediglich die riesigen gelben Augen der Katze und ihre Schnurrhaare. Schlechter ist da die kleine Maus dran, vor der sich die Katze mächtig aufspielt, Zähne und Krallen zeigt. Und erst die Biene! Mit ihren sechseckigen Augen nimmt sie die Katze in lauter Farbtupfern wahr! Das gibt zu denken und wirft unwillkürlich Fragen auf. Wie sieht die Katze eigentlich wirklich aus? Ist sie Freund? Ist sie Feind? Wie ganz bestimmt für den kleinen Vogel, der einen Warnruf auszustoßen scheint, als er sie unter sich von dannen ziehen sieht. Oder ist die Katze einfach ein wundersames Geschöpf von geheimnisvoller Schönheit? Ein Geschöpf, das mit seinem kuschelweichen Fell ein prima Zuhause für einen kleinen Floh bietet? Und warum sieht die Schlange die Katze in den schönsten Farben eines Sommertages, während das Stinktier in ihr ein erdfarbenes Geschöpf wie es selbst sieht? Oder der Wurm, der in ihr ein Wesen aus lauter Artgenossen seiner eigenen Gattung zu erkennen glaubt, während die Fledermaus die Katze, bestehend aus lauter leuchtenden Punkten, bestaunt. Im Bild als Collage, in der alle Perspektiven zugleich versammelt sind, erscheint die Katze umso prächtiger. Um ganz zum Schluss, beim Blick in ein Gewässer, von ihrem eigenen verschwommenen Spiegelbild überrascht zu werden. Erst im Februar mit dem renommierten „Luchs“ ausgezeichnet, ein sinnlicher Genuss für Klein und Groß, der darüber hinaus jede Menge Denkanstöße bietet!

Aber: Selber lesen und staunen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem NordSüd Verlag!

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Buchtipp des Monats für Junge Leser Februar 2018

© Erna R. Fanger schreibfertig.com

Selbstmanagement für Kinder    

Text und Illustration Jon Klassen : „Wir haben einen Hut“. Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Bodmer. NordSüd Verlag AG, Zürich 2017

Dieses Bilderbuch lädt buchstäblich und von den Illustrationen her zum Träumen ein. Bestehend aus drei Teilen, „Den Hut finden“, „Den Sonnenuntergang betrachten“, „Schlafen gehen“,  könnte man es auch als Selbstmanagement für Kinder interpretieren. Da gehen zwei Schildkröten, offenbar enge Freunde, durch eine wüstenartige Landschaft und finden einen Hut. Beide probieren ihn aus, beiden steht der Hut. Aber: Es gibt nur einen. Was die Schildkröten mit der größten Selbstverständlichkeit dazu animiert, ihn liegen zu lassen und weiter zu ziehen. „Wir müssen den Hut dalassen und vergessen, dass wir ihn gefunden haben“, so ihr Fazit. Was sie dann auch tun, um sich dem Sonnenuntergang zu widmen, dessen Betrachtung sie sich ganz und gar hingeben. Dabei bedienen sie sich im Grunde des Perspektivwechsels, einer beliebten Strategie, die auch Coache propagieren. Wir wenden uns ab von dem, was belastet, und geben uns stattdessen der Faszination eines energiegeladenen Augenblicks hin. Dabei mag sich eine innere Haltung in uns herausbilden, die uns achtsamer, mit offeneren Augen durch die Welt gehen lässt. Im dritten Kapitel, „Schlafen gehen“, gewinnt der Hut im nächtlichen Traum wieder Präsenz. Darin hat jede der beiden Schildkröten einen Hut. Am Ende entschwinden sie, offenbar glückselig, jede mit ihrem Hut auf dem Kopf, in den Sternenhimmel.

„Wir haben einen Hut“ ist ein so leise wie eindringlich erzählt und illustriertes Bilderbuch, in dem allein schon die Präsenz der für ihre Langsamkeit bekannte Schildkröte in der Weite einer in ruhigen Bilder veranschaulichten Wüstenlandschaft eine entschleunigende Wirkung ausübt. Es sich zu Gemüte zu führen, hat etwas Meditatives und suggeriert, dass Wünsche, die unsere nächtlichen Träume bevölkern, sich auch in der Wirklichkeit erfüllen können, ohne dass wir darum kämpfen müssen. Damit vermittelt sich, ganz unprätentiös und unaufdringlich, eine so friedlich wie vertrauensvolle Botschaft – geradezu prädestiniert als Gutenachtgeschichte.

Aber: Selber lesen und anschauen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem NordSüd Verlag!

Buchtipp für Junge Leser Dezember 2017/Januar 2018

© Erna R. Fanger schreibfertig.com

Richtig Spaß hat, wer sich was traut

Text und Illustration Nele Palmtag : „Durch den Wald“. kunstanstifter GmbH, Mannheim 2017

Die gelb leuchtenden Lettern des Titels auf dem Cover weisen bereits auf die hier transportierte Message hin: Auch wenn der Weg – in diesem Fall durch den Wald – dunkel und gefährlich scheint, könnte er sich als Abenteuer erweisen, das nicht nur riesen Spaß verspricht, sondern wobei man überdies spannende Erfahrungen machen kann. Doch die sind nicht so leicht zu haben. Ist es doch so viel angenehmer, sich zuhause umhegen und pflegen zu lassen. Wie etwa unter der Obhut von Frau Lieb, die sich stets sorgt um ihre Lieblinge – Kater, Pudel und Piep. Weshalb sie es sich mit ihnen auch am liebsten zuhause gemütlich macht und sie mächtig verwöhnt. Dem Pudel föhnt sie die blauen Locken, der orangefarbene Kater lümmelt sich auf dem Sofa und der knallgelbe Piep schaukelt vergnügt auf der Wippe in seinem Vogelkäfig. Alle sind zufrieden. Doch mit einem Mal ist alles anders. Frau Lieb hat ihre silberne Kette, ausgerechnet die mit dem Glücksbringer, verlegt. Überall sucht sie hektisch danach, klettert dabei auf eine Leiter. Da passiert es: „die Leiter kippt: Geschrei und Gebell! Oh weh! Sie stürzt!“ Ein Anruf, und der Rettungswagen ist da, bringt sie im Nu ins Krankenhaus.

Was nun?  Kater, Pudel und Piep sind ganz allein. Die Ratlosigkeit steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Wer kümmert sich jetzt um sie, woher sollen sie was zu fressen kriegen.  Inmitten dieser Überlegungen sichtet Piep die verlorene Kette und stiftet Kater und Pudel, die sich am liebsten drücken würden, an, dem Krankenwagen hinterherzulaufen. Wie man sich denken kann, ist der jedoch zu schnell und die Drei sind mit einem Mal mitten im Wald, wo es schon dunkel wird. Jetzt schauen sie doch bedenklich drein. Es knackt gefährlich, knistert und wispert: „Hier kommt nur weiter, wer wirklich was wagt.“ All die Tiere des Waldes haben sich, versteckt im Unterholz, zusammengerottet, um sie zu unterstützen, und feuern sie jetzt an. Von der Ameise bis zur Maus, den Krähen, dem Fuchs bis zu Hirsch und Reh.

Vor ihnen liegt so manches Abenteuer, wie etwa der Kampf mit den behäbigen Wildsauen, vor denen sie sich in die Flucht schlagen müssen. Doch mehr sei nicht verraten. Auf jeden Fall erweist sich nach jeder Hürde, die die Drei zu nehmen haben, was die Waldbewohner ihnen schon gleich zu Beginn geflüstert hatten: „Hier kommt nur weiter, wer wirklich was wagt.“ Und das kann, auch die Erfahrung machen sie, gefährlich werden. Zugleich aber scheint immer, wenn es brenzlig wird, Rettung in Sicht zu sein, von irgendwoher kommt Hilfe zur rechten Zeit. Kater, Pudel und Piep sind nie allein und lernen von den anderen Tieren viele tolle Sachen, Piep sogar richtig fliegen und sieht jetzt auch von weitem das Krankenhaus, in dem Frau Lieb liegt. Endlich können sie ihr die Kette bringen. Frau Lieb ist richtig stolz auf die Drei. Aber die bleiben nur kurz. Sie wollen wieder raus, in den Wald, wo ganz bestimmt weitere Abenteuer auf sie warten.

Ein Buch, das bereits die Kleinsten ermutigt, sich etwas zuzutrauen, unterstützt durch die temporeichen, pfiffigen stimmigen Reime und die teils unterschiedliche Größe der Lettern immer dann, wenn es besonders spannend wird. Und nicht zu vergessen: die quietschbunten Farben, mit denen dieses Abenteuer treffend illustriert ist. In sinnfälligem Kontrast übrigens zu dem düster in Grau-Schwarz-Weiß gehaltenen Wald des Inneneinbands, der hier jeweils den Rahmen bildet und zugleich bildhaft vor Augen führt: ohne sich dem, was einem Angst macht, zu stellen, ist das tolle Leben nicht zu haben. Es fällt uns im Übrigen beileibe nicht in den Schoß, auch nicht den Kleinsten, sondern will im wahrsten Sinne des Wortes erlebt werden. Wer es aber eingeht, dieses Wagnis, dem vermitteln die unmittelbar packenden Zeichnungen und ausdrucksstarken Figuren, die Nele Palmtag hier ins Spiel gebracht hat, etwas davon, was Lebendigkeit ausmacht, in Farb- und Figurenvielfalt, mit fröhlichem Elan auf ein abenteuerliches Miteinander abzielend. Ein Glücksgriff!

 

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

 

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt der kunstanstifter GmbH!

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Buchtipp des Monats

Oktober - November 2017

für Junge Leser

© Erna R. Fanger www.schreibfertig.com

Das Bett in Omas Rumpelkammer

Bette Westera: „Omas Rumpelkammer“. Illustriert von Joanne Lew-Vriethoff. Aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf. Susanna Rieder Verlag, München 2017    

 

Einmal mehr wagt sich die renommierte niederländische Kinderbuchautorin Bette Westera nach „Überall und nirgends“, wo Kindern einfühlsam der Tod nahegebracht wird, an ein Tabuthema für unsere jungen Leser – Altersdemenz. „Omas Rumpelkammer“ – auch diesmal von dem preisgekrönten Übersetzer Rolf Erdorf ins Deutsche übertragen – ist zwar kein Bilderbuch wie „Überall und nirgends“, sondern ein richtiger Schmöker für Erstleser, jedoch mit leichter Hand liebevoll von Joanne Lew-Vriethoff illustriert, was das Ganze auflockert. Dabei bedient sich Bette Westera der Geschichte der achtjährigen Sofia und ihrer Oma, die sich über alles liebhaben. Nichts mag Sofia lieber, als Ferien zu machen bei Oma. Allein. Ohne ihre Eltern. Da passt es bestens, dass diese in den Weihnachtsferien für ein paar Tage in die Ardennen fahren und Sofia bei Oma bleibt.

Vergesslichkeit wird in dieser Erzählung unter verschiedenen Aspekten von Beginn an immer wieder durchgespielt. So überprüfen Mama und Papa, bevor es in den Weihnachtsurlaub geht, noch einmal, ob sie auch nichts vergessen haben, sieht Mama lieber noch mal nach, ob sie die Heizung wirklich runtergedreht hat. Und als sie bei Oma ankommen und Mama findet, dass sie in der Weste gut aussieht und fragt, ob sie neu sei, klärt Oma sie auf, „die trage ich doch schon seit Jahren!“ Auch Sofia passiert es. So verläuft sie sich zum Beispiel in Haus Rosenhag, einer Einrichtung für alte Menschen, die sich nicht mehr allein versorgen können. Weil jeder hat ja Orientierungsschwierigkeiten in einer ihm fremden, neuen Umgebung. Sich zu verirren, Dinge zu vergessen, passiert, ist ganz normal und einfach menschlich. Eine Haltung, wodurch das Phänomen der Vergesslichkeit relativiert wird, was ihm zugleich seinen Schrecken nimmt.

Dass Oma immer mehr zu vergessen scheint, sie sich oft nicht mehr sicher ist, etwas getan oder unterlassen zu haben, stört zunächst auch nicht sonderlich, zumal Sofia nicht. Aber die Zeichen, wo es nicht harmlos ist, sondern Oma und auch Sofia Gefahr laufen, Schaden zu nehmen, häufen sich. So stolpern Oma und Sofia von einer tragikomischen Verwicklung in die nächste. Am Ende wird Oma krank. Nicht richtig krank; sie hat einfach keine Lust mehr. Oma weint. Sie ist traurig. Weil sie so vieles vergisst und so vieles nicht mehr so kann wie früher. Sofia tröstet sie. Mama macht sich Sorgen und geht mit ihr zum Arzt. Sie will Oma in Haus Rosenhag unterbringen.

Aber Oma will in ihrem Haus mit der Rumpelkammer bleiben, wo es stapelweise Donald-Duck-Hefte gibt und wunderbare Dinge in Kartons gesammelt werden: Knöpfe, Marmeladegläser, Seifenreste, Teller mit Sprüngen, Tassen ohne Henkel und Henkel ohne Tassen. Und Sofia will sie dort weiterhin besuchen. Wo sie so viel Spaß miteinander haben, es viel mehr Schokoladenstreusel aufs Brot als zuhause gibt, sie beide so schön Puzzle spielen und Pfannkuchen und Napfkuchen backen, auch wenn der Pfannkuchen ein bisschen zu braun wird und der Napfkuchen, schwarz und verbrannt, weggeworfen werden muss, Sofia sich dabei den Daumen verbrannt und eine Blase davongetragen hat. Und sie will vor allem nicht, dass je andere in dem Haus ihrer Oma wohnen, womöglich in ihrem geliebten Bett mit der Kuhle schlafen.

Kein Weg scheint daran vorbeizugehen, dass die zunehmende Vergesslichkeit der Oma ein schmerzhafter Prozess für alle ist. Konterkariert wird dies durch den zärtlichen Zusammenhalt aller Beteiligten, getragen von gegenseitigem Verständnis und Humor. Die Krankheit, die Oma hat, wo sie sich neue Dinge nicht mehr merken und Dinge nicht mehr kann, die ihr früher leicht fielen, wird mit keinem Wort benannt. Vielmehr lernt Sofia, müssen ihre Eltern es akzeptieren und nicht zuletzt Oma selbst: dass es vielen so oder ähnlich geht. Aber auch, dass sich der Schmerz über einen solchen Verlust durch ein liebevolles Miteinander wandeln, ja sich in Freude auflösen kann. So etwa am Schluss, wo Sofia die geretteten ‚Sammelstücke’ aus Omas Rumpelkammer, jetzt, wo Oma in Haus Rosenhag nicht mehr so viel Platz hat, in ein „Rumpelschränkchen“ überführt. Sie trinken Tee, essen eine ganze Schachtel Schokokekse auf und plaudern:

„Du magst doch Überraschungen?“ „Aber ja!“ „Erinnerst du dich noch an den Truthahn?“ „Natürlich weiß ich das noch. Zuerst hatte ich ihn vergessen und dann hatten wir zwei.“ „Je mehr Dinge man vergisst, desto mehr Überraschungen erlebt man“, sagt Sofia. Oma schaut Sofia an und lacht. 

 

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Susanne Rieder Verlag!

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Buchtipp des Monats September 2017

für Junge Leser

© Hartmut Fanger www.schreibfertig.com

Für den Deutschen Jugendliteratur Preis nominiert

Francesca Sanna: „Die Flucht“. Aus dem Englischen von Thomas Bommer. NordSüd Verlag, Zürich 2017

Die Flucht“ ist eine Geschichte über viele Fluchten“ schreibt die Autorin und Illustratorin Francesca Sanna in ihrem Nachwort und erzählt davon, dass sie in Italien viele Flüchtlinge persönlich kennengelernt und deren Geschichten gesammelt hat. Ihr Ziel ist es, davon zu berichten, was diese Menschen erlitten und mit welch ‚unglaublicher Kraft’ sie die katastrophalen Umstände durchgestanden hätten. Dies Ziel hat Francesca Sanna mit hinreißend schönen Bildern sehr wohl erreicht. Jede aufgeschlagene Seite ein Füllhorn an detailreichen, farbigen Illustrationen, selbst für jüngste Leser leicht verständlich. Ein exzellentes Bilderbuch von einfacher, nicht minder aussagekräftiger Sprache. Francesca Sanna bringt es mit ihren Illustrationen fertig, Schrecken und Leid, Sorge und Angst der Menschen in eine erträgliche, lesbare Form zu bringen. Sodass die unerbittlichen Härten, mit denen die Betroffenen sich konfrontiert sehen, zwar nicht beschönigt, aber doch in einer Weise ins Bild gerückt werden, dass ein Kind es verarbeiten kann. Dabei korrespondiert zum Beispiel die Farbgebung mit der jeweiligen Notsituation der Flüchtigen. So verdunkeln sich etwa die Bilder, wenn der Krieg ausbricht, färben sich zusehends schwarz, noch schwärzer, wenn gar der Krieg ‚den Papa wegnimmt’. In dem Moment, wo ein anderes Land so etwas wie Hoffnung verspricht, in Frieden und Sicherheit zu leben, wird es hingegen heller und zugleich farbenprächtiger, um ein paar Seiten später wieder nachzudunkeln. Dann nämlich, wenn die Flucht fortgesetzt wird und die ‚Grenze an eine Riesenmauer’ erinnert. Nach vielen Abenteuern erreichen die Flüchtlinge schließlich das Meer und überqueren es unter lebensgefährlichen Umständen in einem stets überfüllten, schaukelnden Boot. Doch dessen ungeachtet setzt sich auf der anderen Seite die Flucht fort...

 

Bei „Die Flucht“ handelt es sich um ein außergewöhnliches Bilderbuchdebut einer jungen Illustratorin, die dafür nicht umsonst mit der renommierten Goldmedaille der Society of Illustrators in New York ausgezeichnet wurde.  

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Buchtipp des Monats für Junge Leser August 2017

© Erna R. Fanger www.schreibfertig.com

 

 

Mach vor nichts Halt! Stelle alles infrage!

Zerstöre und erschaffe neu!

 

Keri Smith: „MACH DIESES BUCH FERTIG“, Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2017. Übersetzt von Heike Bräutigam und Julia Stolz.

Nach „MACH DICH AUF“ der kanadischen Illustratorin und Autorin Keri Smith, unserem Buchtipp vom Juli, widmen wir uns jetzt der Neuauflage in Farbe ihres Bestsellers „Mach dieses Buch fertig“ (USA 2007, dt. 2010, 2017). Warum die erste Auflage in Schwarz-weiß war, das Ganze jetzt nochmal in Farbe erscheint, hat für die Autorin einen guten Grund: „Die ehrliche Antwort ist, dass ich mich vor Farbe fürchte.“ Keri Smith führt weiter fort – und unschwer lässt sich daraus ihr Credo lesen: „Bei all meinen Arbeiten geht es mir darum, mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die mir Unbehagen verursachen.“ Und wie genau stellt man das an, fragt man sich als Leser und erhält prompt Antwort: „Man stürzt sich einfach hinein, blödelt herum und spielt damit“, zitiert übrigens aus dem letzten von vier wichtigen Punkten im Rahmen der Einleitung. Gefolgt von Anleitungen, die in ihrer Gesamtheit alle mehr oder weniger darauf abzielen, uns dazu zu bringen, einen Großteil dessen, was wir als gut und richtig erkannt zu haben glaubten, über Bord zu werfen. Die Materialien: ‚Geistesblitze, Leim, Dreck, Spucke, Bindedraht, Fundsachen, Ängste, Zündhölzer, Zeit, Zufall, Grips’ – um nur einige zu nennen. So werden wir etwa aufgefordert, auf einer Seite nicht nur die Farbe unseres Abendessens zu dokumentieren, sondern dieses dort auch ‚zu verreiben, zu verschmieren, zu verspritzen’ und zu guter Letzt‚ die Seite ‚als Serviette zu benutzen’. An anderer Stelle wiederum heißt es „Reiße diese Seite raus. Stecke sie in deine Hosentasche. Wasche sie mit. Klebe sie hier wieder ein“ oder „Versieh diese Seite mit einem Geruch deiner Wahl.“ Das hier postulierte ‚Fertigmachen’ heißt also im Klartext, ‚zerstöre und mach’ etwas Neues daraus’, zugleich Grundprinzip schöpferischen Tuns. Aber der Millionen-Bestseller ist mehr: Er schafft es, dein Leben von Grund auf zu verändern, du wirst einfach mehr Spaß haben, wilder träumen und schöner flunkern. Zugleich ist machdiesesbuchfertig.de Plattform, auf der du dich darüber mit anderen austauschen und anregen lassen kannst. Denn dieses attraktiv gestaltete Buch mit kunterbunter Collage als Cover, innen von verführerischer Farbpracht, Seite um Seite ‚fertig zu machen’, es zu zerstören, in Streifen zu schneiden oder auch mal eine Seite zu verbrennen, ist, sind wir doch alle wohlerzogen, eine Herausforderung. Mit zugegebenermaßen verblüffender Wirkung, dass wir der Autorin nur zustimmen können: „Es könnte sein, dass du plötzlich überall schöpferische Zerstörung entdeckst. Möglicherweise macht es dein Leben spannender.“

Aber: Selber zerstören macht frei – probiere es aus, unbedingt!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2017!

 

Siehe auch Buchtipp des Monats für Junge Leser Juli 2017: Keri Smith: Mach Dich auf - Join The Wander Society", Verlag Antje Kunstmann, München 2017                             Archiv

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Buchtipp des Monats für Junge Leser Juli 2017

© Erna R & Hartmut Fanger www.schreibfertig.com

 

Eine kleine Philosophie des Wanderns

Keri Smith: „MACH DICH AUF – Join The Wander Society“, Verlagsanstalt Antje Kunstmann, München 2017. Aus dem Englischen von Astrid Graver

Das jüngste Werk, „MACH DICH AUF“, der amerikanischen Autorin und Künstlerin Keri Smith des Bestsellers  „Mach dieses Buch fertig“ ist zugleich eine Hommage an die Geheimnis umwitterte, 2012 in den USA  gegründete Wander Society. Diese beruft sich als Ideengeber auf den großen amerikanischen Dichter Walt Whitman, hegt Verbindungen zum Zen-Buddhismus und begreift sich selbst als „... geheime unterirdische Organisation, die auf dem Konzept des Erlebens der ungeplanten Zeit basiert“. Die Mitgliedschaft verlangt, ‚dass Du in Deiner unmittelbaren Umgebung forschst und eine Vielzahl von Aufgaben abschließt, die den Alltag kreativ stören’. Dazu solltest Du Dir, wie von Walt Whitman 1855 in seinem großen lyrischen, in die Weltliteratur eingegangen Werk „Grashalme“ formuliert, folgende Haltung zu Eigen machen:

„Liebe die Sonne und die Tiere, verachte Reichtümer, gib jedem, der da bittet, tritt ein für die Unwissenden und Schwachsinnigen, widme dein Einkommen und deine Arbeit anderen, hasse Tyrannen (...), habe Geduld und Nachsicht für deine Mitmenschen, zieh den Hut vor nichts Bekanntem oder Unbekanntem, vor keinem Menschen und vor keiner Menschenmenge (...),überprüfe alles, was du in Schule und Kirche oder aus irgendeinem Buch gelernt hast, und verwirf, was auch immer deine Seele beleidigt (...)“

Es macht Spaß, durch die kunstvoll gestalteten Seiten dieses ästhetisch ansprechenden Bandes zu blättern, Zitate berühmter Schriftsteller wie etwa George Orwell, Charles Dickens, Arthur Rimbaud, Hermann Hesse oder Nietzsche zu finden und über die vielen Graphiken, Zeichnungen und Abbildungen zu staunen. Manche Entdeckungen kann man machen und jede Menge Erfahrung sammeln.

Vermittelt Smith hier einerseits eine pragmatische Wanderanleitung – vom  Wandern in der freien Natur bis hin zum Flanieren in der Stadt, vom klassischen Spaziergang bis hin zum Wettlauf, vom Wandern als Meditation auf dem Weg nach Innen bis hin zum Wandern mit dem Fahrrad, propagiert sie andererseits das Wandern ohne Fortbewegung, etwa am Schreibtisch allein die Gedanken wandern zu lassen. Aber auch die Kunst, sich zu verlaufen, kann man von ihr lernen. Und natürlich versteht sie etwas vom Zubehör: Anleitungen, ‚wie man einen Wanderstock schnitzt’, ‚einen Pulswärmer strickt’, ‚einen Brustbeutel’ oder eine Gürteltasche näht’. „Wandere jeden Tag“ heißt die Devise, „auf einem Weg, der kein Ziel hat, aber zu etwas führen wird...sich treiben lassen, die Bewegung genießen, die Umgebung aufmerksam wahrnehmen, sich auf sich selbst besinnen, tief durchatmen...“  

Aber: Selber lesen macht schlau!                                             Zum Archiv

 Buchtipp für Junge Leser Juni 2017

© Erna R. & Hartmut Fanger      

www.schreibfertig.com

 

Ein Präsident mit Format

                                                                                                                                                                                                                                             

Shana Corey & R. Gregory Christie: „John F. Kennedy – Zeit zu handeln“, NordSüd Verlag AG, Zürich 2017. Aus dem amerikanischen Englisch von Elisa Martins.

Wer kennt John F. Kennedy nicht? Richtig: John F. Kennedy war von 1960 bis 1963 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sein politisches Handeln setzt sich bis in die heutige Zeit hinein fort.

Am 29. Mai dieses Jahres wäre er 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass wartet der NordSüd Verlag mit dem Band „John F. Kennedy – Zeit zu handeln“ der US-amerikanischen Kinderbuchautorin Shana Corey mit Illustrationen von R. Gregory Christie auf. Ergänzt am Schluss von einem die Verdienste John F. Kennedys kommentierenden Nachwort der Autorin und gleichwohl bebilderten Kurzporträts seiner Mitstreiter und Weggefährten.

Kinder lernen hier John F. Kennedy wie in einem Bilderbuch kennen, als Junge zum Beispiel, der schon früh gerne Geschichtsbücher las, in der  Schule hingegen nicht besonders gut, auch oft krank, dafür aber lustig und bei allen beliebt war.

Bildhaft führt die Autorin die Stationen seines kurzen Lebens vor Augen. Wie er zum Beispiel Journalist werden wollte und bereits im College ein Buch mit dem Titel „Warum England schlief“ veröffentlicht hatte, was prompt ein Erfolg wurde. Oder dass er als freiwilliger Soldat am Zweiten Weltkrieg teilnahm und  einem Verwundeten das Leben rettete. Ebenso seine Ehe mit der attraktiven Jackie Kennedy, die ihm zusätzlich Glanz verlieh. Ein für das Amt des Präsidenten würdiges Paar. Ein Amt, das er nach freien Wahlen in realtiv jungen Jahren annahm.

Spannend lesen sich dann die Ausführungen über die damals in den USA noch übliche Rassentrennung. Auch für jüngste Leser bringt Corey das zähe Ringen um die Durchsetzung der Ziele des jungen Präsidenten und des Traums von einem Amerika, in dem Schwarz und Weiß zusammenstünden, nahe. Doch John F. Kennedy setzte sich, nicht zuletzt in Kooperation mit Martin Luther King, mit der Aufhebung des Jahrhunderte währenden Jochs durch. Gegen den erbitterten Widerstand nicht nur der Polizei, sondern vieler Teile der Bevölkerung. John F. Kennedy bekräftigte dies am 11. Juni 1963 in einer flammenden Rede mit dem Erfolg, dass ein starkes Bürgerrechtsgesetz in den Kongress eingebracht wurde, das Rassentrennung im öffentlichen Raum und Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe am Arbeitsplatz ein Ende setzen sollte.

Ein Aufbruch mit großen Hoffnungen, gefolgt vom legendären Marsch am 28. August desselben Jahres nach Washington, an dem 250 000 Menschen teilnahmen und Martin Luther King seine berühmte Rede hielt: „I have a dream“ – „Ich habe einen Traum“.

Nur wenige Monate später, am 22. November, sollte die Bewegung durch die Ermordung John F. Kennedys seitens eines Geisteskranken einen schweren Schlag erleiden. Neben dem Kampf für die Gleichberechtigung und seiner grundlegend demokratischen Gesinnung, wofür er sich mit jugendlichem Elan eingesetzt hatte – seine unmittelbaren Vorgänger waren demgegenüber ältere Herren ohne Aufsehen erregende visionäre Kraft, wie von Kennedy ausgestrahlt. Im Aufwind begriffen, hat er sich nicht zuletzt für die Raumfahrt begeistert und davon geträumt, auf dem Mond zu landen, was er leider nicht mehr erleben konnte.

Ein Buch, das vor allem für junge Menschen in Amerika verfasst – und  worin das, was uns in Deutschland so tief berührt hat, nicht berücksichtigt wurde: Kennedys Aufenthalt in West-Berlin, wo er vor der Berliner Mauer die berühmten Worte „Ich bin ein Berliner“ aussprach und damit das Gefühl einer tiefen Verbundenheit zwischen Deutschland und Amerika erzielte.

Was Kennedy Kindern mit auf den Weg zu geben hat und in diesem Band sehr schön vermittelt wird, ist wesentlich sein Geschichtsverständnis – und das ist ein grundlegend demokratischer Gedanke: dass ‚Geschichte nicht nur in Büchern stattfindet, sondern dass sie ständig um uns herum passiert, und dass Menschen, die Geschichte schreiben, manchmal ganz normale Menschen sind’: „Wir alle können Teil der Geschichte sein.“

Von nun an ist es an euch zu entscheiden. Ihr seid die Geschichtsschreiber!

 Aber: Selber lesen macht schlau!

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem NordSüd Verlag. 

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Buchtipp des Monats Mai 2017 für Junge Leser

 © Erna R. Fanger www.schreibfertig.com

 Eigenlob fliegt

 

Astrid Lindgren: „Karlsson vom Dach“. Aus dem Schwedischen von Thyra Dohrenburg. Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1956 (Stockholm 1955)

Der siebenjährige Lillebror, jüngster Spross einer ganz gewöhnlichen Stockholmer Familie, hat es nicht leicht mit seinem 15-jährigen Bruder Birger und der 14-jährigen Schwester Betty. Alle erziehen an ihm herum. Außer einem, der im Gegensatz zu allen anderen ganz und gar außergewöhnlich ist: Karlsson vom Dach. Ein kleiner dicker Mann, im Rücken mit einem Propeller, der fliegen kann und tatsächlich in einem kleinen Haus auf dem Dach wohnt mit Namensschild „Der beste Karlsson der Welt“ versehen. Denn Karlsson behauptet, auf jedwedem Gebiet „der Beste“ zu sein. Sei es im Umgang mit Dampfmaschinen, auch wenn diese dann explodieren, denn „das stört keinen großen Geist“. Gängige Redensart, wenn mal was schief geht bei seinen Aktionen, die er mit dem größten Vergnügen ausübt. Wie im Übrigen sein gesamtes Benehmen ganz und gar unerhört ist. So hat er zum Beispiel seine eigenen Vorstellungen von Pünktlichkeit:

 

„Ich komme ungefähr um drei Uhr oder um vier oder fünf, aber nicht eine Minute vor sechs (...) Auf alle Fälle nicht später als sieben (...) Aber kaum vor acht. Und, pass auf, ungefähr so um neun Uhr ungefähr, da klappt es!

 

Der arme Lillebror wartet ewig. Karlsson vom Dach erlaubt sich alles, was gewöhnlichen kleinen Jungs wie Lillebror verboten ist. Er flunkert und lügt, dass sich die Balken biegen, ist überaus gefräßig und spielt die tollsten Streiche. So etwa täuscht er schamlos Fieber zu haben vor, will „der Kränkste der Welt“ sein, um alles zu kriegen, wonach es ihn gerade gelüstet: ‚einen Berg Torte und ziemlich viel Kuchen und eine Menge Schokolade’. Im Übrigen schwört er gegen Fieber Stein auf Bein auf Kuckelimuck-Medizin, ‚halb aus Bonbons, halb aus Schokolade, angerührt mit Kuchenkrümeln’. Und Karlsson wettet gern, wobei er jeden, der sich darauf einlässt, ungeniert über den Tisch zieht und so jede, aber auch jede Wette gewinnt. Überhaupt liebt Karlsson das Abenteuer und erkundet, als er mit Lillebror aufs Dach fliegt, genau die Stellen, die gefährlich sind. Denn das ist das Tolle und Aufregende, „eben weil man hin und wieder fast abstürzte.“ Wäre Karlsson wie die anderen ein ganz gewöhnlicher kleiner Junge, wäre er mit Gewissheit der Alptraum eines jeden Erwachsenen. Steht für ihn doch keine

Sekunde zur Debatte‚ lieb sein zu sollen oder als böse zu gelten, wie bei gewöhnlichen kleinen Jungen und Mädchen. Für Karlsson vom Dach hingegen ist alles ein einziges spannendes Abenteuer, ein toller Spaß und ein riesiges Vergnügen. Um nichts weiter sonst hat er sich zu scheren. Das Schöne daran, ob für Jung oder Alt: Es ist ansteckend, dieses Vergnügen. Allein die Lektüre genügt!

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

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Buchtipp 2017 für Junge Leser

© Erna R. Fanger www.schreibfertig.com

46 Arten, sich ohne Angst dem Tod zu nähern

Bette Westera (Text) Sylvia Weve (Illustrationen):  „Überall & Nirgends“, Susanna Rieder Verlag, München 2016, empfohlen ab 8

46 Arten, sich ohne Angst dem Tod zu nähern, in 46 Gedichten, so, dass auch ein Kind, behutsam zwar, aber ohne Beschönigung, mit dem Thema vertraut gemacht werden kann, ist das Anliegen dieses, weniger Bilderbuchs als Kunstbands; u. a. 2015 mit dem „Goldenen Griffel“ und dem „Woutertje Pieterse Preis“ als bestes niederländisches Kinder- und Jugendbuch ausgezeichnet und aus dem Niederländischen ins Deutsche von dem gleichwohl preisgekrönten Übersetzer Rolf Erdorf übertragen. Allein die erlesene Machart mit verlängertem Leinenrücken und Hardcover im Bilderbuchformat ist dem bewährten Autoren-Illustratoren-Duo Bette Westera und Sylvia Weve nur würdig. Der Leser hält – nicht zuletzt mit den herausragenden Illustrationen, geprägt von Lebendigkeit und Humor, Detailreichtum und Zärtlichkeit – ein so sinnreiches wie die Sinne ansprechendes Kunstwerk in Händen, mit dem wir uns, entsprechend dem Titel, auf die Spur des Todes begeben. Allein das Inhaltsverzeichnis, vertikal zwischen dem „Überall“ auf der linken und dem „Nirgends“ auf der rechten äußeren Seite eingefügt, lässt aufhorchen mit Gedichtanfängen und Titeln wie „Wenn du niemals“, „Himmel“, „Nur kurz“... Neugierig blättern wir weiter. Da stellt das erste Gedicht infrage, „Wenn du niemals sterben könntest,/ was wäre noch am Urlaub dran?“ Während in „Himmel“ räsoniert wird, „Kann es sein, dass hinter weißen Wolkenschleiern/ ein Himmel ist, wohin es jeden nach dem Tode zieht?“ oder es in „Nur kurz“ heißt „Tod, nur eine Frage bloß:/ Darf ich mal auf deinen Schoß?“ Gleichwohl in Gedichtform werden Beerdigungsrituale nahegebracht: Vom Seemannsgrab im Meer über die japanische Tradition, wo, wenn die Alten spüren, dass ihre Zeit gekommen ist, sie sich von den Angehörigen auf den heiligen Berg Narayama bringen lassen, um dort, hoch oben und Gott nahe, zu sterben, bis hin zur „Himmelsbestattung“ im tibetischen Buddhismus, wo die Toten den Geiern überlassen werden, die als heilig gelten und für die Verbindung zwischen Himmel und Erde stehen. Ebenso wenig werden Sterbehilfe und Selbsttötung ausgespart und einfühlsam nahegebracht. Aber auch der Tod geliebter Haustiere wie Miezekater, Wellensittich oder Hund, und die Lücke, die sie hinterlassen, kommen zur Sprache. Ebenso wie das Hospiz als Ort zum Leben und zum Sterben oder das Phänomen „Nahtodeserfahrung“ kindgerecht erläutert werden. Verschwiegen wird aber auch nicht die Angst vor dem Tod, und sei es in ihrer Umkehrung: „Das Sterben macht mir keine Angst./ Der Tod ist nur für eben.“

Gedenkstätten an Orten, wo ein Mensch durch Unfall aus dem Leben gerissen wurde, sind genauso Thema wie die fröhliche Totenfeier an Allerseelen in Mexiko oder die verschiedenen Bestattungsrituale mit je nach religiöser Kultur anderen Vorschriften, wie ein Leichnam unter die Erde zu bringen oder mit seiner Asche zu verfahren sei. Mit am meisten berührt der Umgang mit der Trauer. Sei es, wenn der geliebte Verstorbene in „Immer überall“ buchstäblich an allen Ecken und Enden fehlt – „Du fehlst mir hinten auf dem Rad,/ du fehlst mir in der Bahn./ Du fehlst mir auch im Supermarkt/ und beim Gemüsemann“, er wiederum umgekehrt, ‚in der Linde gerochen, in den Pflaumen geschmeckt, überall und nirgends gehört, gespürt oder gesehen wird’, oder es tieftraurig und voller Zärtlichkeit angesichts des Tods eines Frühchens heißt „“Kleiner warst du als dein Strampelsäckchen hier./ Kleiner als die kleinste Babyflasche auch./ Noch kleiner als dein kleinstes Schmusetier./ Du kamst viel zu klein aus Mamas Bauch.“

Mit der so facettenreichen wie feinfühlig-liebevollen Präsentation des Themas, im Zuge des geglückten Zusammenspiels von Text und Bild, ist es nicht nur gelungen, den Tod kindgerecht ins Leben zu ziehen, sondern darüber hinaus den ihm anhaftenden Schrecken zu relativieren und das Außerordentliche, das ihm zugeschrieben ist, in die vielfältigen Erscheinungen menschlicher Ordnungen, wie sie in unseren Bräuchen und Traditionen zutage treten, zu integrieren. Hervorzuheben nicht zuletzt die kleinen, die Gedichte begleitenden und erläuternden Essays zum Schluss, die das Ganz abrunden.

 Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

 Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Susann Rieder Verlag, München.

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Buchtipp des Monats November 2016 für Junge Leser

© Erna R. Fanger www.schreibfertig.com

46 Arten, sich ohne Angst dem Tod zu nähern

Bette Westera (Text) Sylvia Weve (Illustrationen):  „Überall & Nirgends“, Susanna Rieder Verlag, München 2016, empfohlen ab 8

46 Arten, sich ohne Angst dem Tod zu nähern, in 46 Gedichten, so, dass auch ein Kind, behutsam zwar, aber ohne Beschönigung, mit dem Thema vertraut gemacht werden kann, ist das Anliegen dieses, weniger Bilderbuchs als Kunstbands; u. a. 2015 mit dem „Goldenen Griffel“ und dem „Woutertje Pieterse Preis“ als bestes niederländisches Kinder- und Jugendbuch ausgezeichnet und aus dem Niederländischen ins Deutsche von dem gleichwohl preisgekrönten Übersetzer Rolf Erdorf übertragen. Allein die erlesene Machart mit verlängertem Leinenrücken und Hardcover im Bilderbuchformat ist dem bewährten Autoren-Illustratoren-Duo Bette Westera und Sylvia Weve nur würdig. Der Leser hält – nicht zuletzt mit den herausragenden Illustrationen, geprägt von Lebendigkeit und Humor, Detailreichtum und Zärtlichkeit – ein so sinnreiches wie die Sinne ansprechendes Kunstwerk in Händen, mit dem wir uns, entsprechend dem Titel, auf die Spur des Todes begeben. Allein das Inhaltsverzeichnis, vertikal zwischen dem „Überall“ auf der linken und dem „Nirgends“ auf der rechten äußeren Seite eingefügt, lässt aufhorchen mit Gedichtanfängen und Titeln wie „Wenn du niemals“, „Himmel“, „Nur kurz“... Neugierig blättern wir weiter. Da stellt das erste Gedicht infrage, „Wenn du niemals sterben könntest,/ was wäre noch am Urlaub dran?“ Während in „Himmel“ räsoniert wird, „Kann es sein, dass hinter weißen Wolkenschleiern/ ein Himmel ist, wohin es jeden nach dem Tode zieht?“ oder es in „Nur kurz“ heißt „Tod, nur eine Frage bloß:/ Darf ich mal auf deinen Schoß?“ Gleichwohl in Gedichtform werden Beerdigungsrituale nahegebracht: Vom Seemannsgrab im Meer über die japanische Tradition, wo, wenn die Alten spüren, dass ihre Zeit gekommen ist, sie sich von den Angehörigen auf den heiligen Berg Narayama bringen lassen, um dort, hoch oben und Gott nahe, zu sterben, bis hin zur „Himmelsbestattung“ im tibetischen Buddhismus, wo die Toten den Geiern überlassen werden, die als heilig gelten und für die Verbindung zwischen Himmel und Erde stehen. Ebenso wenig werden Sterbehilfe und Selbsttötung ausgespart und einfühlsam nahegebracht. Aber auch der Tod geliebter Haustiere wie Miezekater, Wellensittich oder Hund, und die Lücke, die sie hinterlassen, kommen zur Sprache. Ebenso wie das Hospiz als Ort zum Leben und zum Sterben oder das Phänomen „Nahtodeserfahrung“ kindgerecht erläutert werden. Verschwiegen wird aber auch nicht die Angst vor dem Tod, und sei es in ihrer Umkehrung: „Das Sterben macht mir keine Angst./ Der Tod ist nur für eben.“

Gedenkstätten an Orten, wo ein Mensch durch Unfall aus dem Leben gerissen wurde, sind genauso Thema wie die fröhliche Totenfeier an Allerseelen in Mexiko oder die verschiedenen Bestattungsrituale mit je nach religiöser Kultur anderen Vorschriften, wie ein Leichnam unter die Erde zu bringen oder mit seiner Asche zu verfahren sei. Mit am meisten berührt der Umgang mit der Trauer. Sei es, wenn der geliebte Verstorbene in „Immer überall“ buchstäblich an allen Ecken und Enden fehlt – „Du fehlst mir hinten auf dem Rad,/ du fehlst mir in der Bahn./ Du fehlst mir auch im Supermarkt/ und beim Gemüsemann“, er wiederum umgekehrt, ‚in der Linde gerochen, in den Pflaumen geschmeckt, überall und nirgends gehört, gespürt oder gesehen wird’, oder es tieftraurig und voller Zärtlichkeit angesichts des Tods eines Frühchens heißt „“Kleiner warst du als dein Strampelsäckchen hier./ Kleiner als die kleinste Babyflasche auch./ Noch kleiner als dein kleinstes Schmusetier./ Du kamst viel zu klein aus Mamas Bauch.“

Mit der so facettenreichen wie feinfühlig-liebevollen Präsentation des Themas, im Zuge des geglückten Zusammenspiels von Text und Bild, ist es nicht nur gelungen, den Tod kindgerecht ins Leben zu ziehen, sondern darüber hinaus den ihm anhaftenden Schrecken zu relativieren und das Außerordentliche, das ihm zugeschrieben ist, in die vielfältigen Erscheinungen menschlicher Ordnungen, wie sie in unseren Bräuchen und Traditionen zutage treten, zu integrieren. Hervorzuheben nicht zuletzt die kleinen, die Gedichte begleitenden und erläuternden Essays zum Schluss, die das Ganz abrunden.

 Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

 Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Susann Rieder Verlag, München.

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Buchtipp des Monats Oktober 2016 für Junge Leser

 © Hartmut Fanger www.schreibfertig.com

 

 Was wir vom schönen Eichsfeld so noch nicht wussten

 

Astrid Seehaus (Hrsg.):  Mörderisches Buffet. "Kriminalgeschichten aus dem Eichsfeld“, Undine Verlag 2016, ab 12

 

Die erste Eichsfeld-Anthologie präsentiert eine Fülle an Geschichten aus einem Landstrich, der lange Zeit als Zonengrenzgebiet zwischen West- und Ostdeutschland galt. Obschon, wie uns die Herausgeberin in ihrem Vorwort versichert, „reich an Tradition, an hübschen Städtchen, schönen Landschaften“, ist die Gegend wenigen bekannt. Umso mehr Anlass, sich ihr zu nähern, bietet „Mörderisches Buffet“. Zumal darin etliche Autoren jeden Alters beheimatet sind, deren „unbändiger literarischer Schaffensdrang“ sich in dem vorliegenden Band mit viel Lokalkolorit Geltung verschafft. So bekommen wir Leser nicht nur einen vortrefflichen Eindruck von Land und Leuten, sondern erhalten zugleich Einblick in Historie und Kultur. Darüber hinaus wird jeder Geschichte eine plastische Bilderkarte von der Umgebung vorangestellt. So können wir uns im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild von dem jeweiligen Ort und dessen Umfeld machen, in dem die Handlung spielt.

 

Versammelt sind in dem Band spannende Geschichten, die für Jung und Alt, gerade in ihrer Vielseitigkeit, ein insgesamt rundes Lesevergnügen bieten. Das Besondere: Neben gestandenen Autoren und Autorinnen kommen auch Schülerinnen der Astrid-Lindgren-Schule und des St. Josef-Gymnasiums mit jeweils einem Kurzkrimi zu Wort.

 

Originell die Story „Die Uniform“, verfasst von fünf Schülerinnen der Astrid-Lindgren-Schule, die einen Fall sozusagen aus fünf Perspektiven aufrollen. Dabei geht es um Schüleruniformen, die ausgerechnet von modebewussten jungen heranwachsenden Frauen getragen werden sollen, die sich gerne schminken, eigenwillige Frisuren tragen und sich darüber beschweren, dass der Nagellack nicht zur Uniform passt, die Uniform obendrein das Dekolleté verdeckt. Wen wundert’s also, dass die Uniformen eines Tages einem Brand zum Opfer fallen.

 

Um Mode geht es auch in der Geschichte „Pinke Haare, blaue Flecke“. Hier wird von sieben Schülerinnen des St. Joseph-Gymnasiums wiederum aus sieben Perspektiven erzählt. Wobei besagte ‚pinke Haare’, geschminkte Gesichter, auffallender Schmuck, aber auch Liebschaften, Drogenmissbrauch und Diebstahl - bis hin zu dem Tod einer Lehrerin - eine Fülle an Stoff abgeben. Packend und authentisch vor Augen geführt.

 

Dabei bietet die Anthologie immer wieder Überraschungen. So schildert zum Beispiel die Kinderbuchautorin und Journalistin Claudia Nachtwey die so dramatische wie tragische Begegnung zweier Männer in einer Novembernacht, in der ein Fremder den Wirt eines Gasthauses an dessen wenig rühmliche Vergangenheit erinnert. Der hatte sich während seiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee aufgrund der angeblichen Gefahr einer ‚Grenzüberschreitung’ am Tod einer schwangeren jungen Frau schuldig gemacht. Ungemein spannend auch die Geschichte „Klick und tot“ von Astrid Seehaus, worin ein Lehrer systematisch von einem jungen Radfahrer in die Enge getrieben wird, bis Ersterer bei der Verfolgung auf einem Berg alle Vorsichtsmaßnahmen vergisst. Dass sich das Ganze um einen von Schülern und Kollegin perfide inszenierten Racheplan handelt, ahnt der Mann nicht.

 Doch lassen wir uns ruhig auch von den übrigen 14 Geschichten zu spannenden Leseerlebnissen verführen. Etwa von „Tod im Wolfsgehege“ oder der Geschichte eines Mannes, der mit unlauteren Mitteln die Ringaukirmes verhindern will. Aber auch seltsame Todesfälle in dem Hospital „Zur heiligen Dreieinigkeit“ oder „Tod im Klosterwald“ im Jahre 1888 ziehen den Leser in den Bann. Vom „Chaos im Gemüsebeet“, einer ‚Leiche im Teig’ oder der Pest von 1626 ganz zu schweigen. Darüber hinaus lesen wir über einen Mord an Bäckermeister Wenzel, von ‚Heinrich Heine’, der sich in Heiligenstadt protestantisch taufen ließ, von ‚gesprengten Geldautomaten’ und vielem mehr.

 

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass diese Anthologie mit „Abschied“ einen Frank Rothe Kurzkrimi von Astrid Seehaus enthält. 2012 wurde die Autorin für den ersten Frank Rothe-Krimi „Tod im Eichsfeld“ mit dem Thüringer Krimipreis ausgezeichnet.

 

 Alles in allem ein sehr zu empfehlender Krimispaß für Jung und Alt!

 

 Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei! 

 

 

Buchtipp des Monats September 2016 für Junge Leser

 

© Hartmut Fanger www.schreibfertig.com

 

Wer kennt ihn nicht, den ‚dritten Mann’?

 

Graham Greene:  Der dritte Mann. Übersetzung aus dem Englischen Nikolaus Stingl, Zsolnay Verlag, Wien 2016, ab 12 

 

Wer kennt Ihn nicht, den ‚Dritten Mann’, den großen Weltbestseller von Graham Greene und den dazugehörigen Film von Carol Reeds aus dem Jahre 1949. Mit Orson Wells als Bösewicht Harry Lime, der unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien mit unsauberem Penicillin handelt, woran zahllose Menschen, darunter Kinder, sterben. Nun ist im März 2016 im Zsolnay Verlag eine neue Übersetzung mit einem Nachwort von Hanns Zischler erschienen, zugleich Sprecher der auch als Hörbuch erhältlichen Version. Anlass, die Novelle noch einmal zu würdigen. Selbst bei erneuter Lektüre liest sich das Ganze spannend. Nicht zuletzt verdankt sich dies Nikolaus Stingl, der sich in seiner Neuübersetzung streng an die im Englischen erschienene Originalausgabe hält, im Gegensatz zu der bisher gängigen Übertragung von Fritz Burger und Käthe Springer aus dem Jahre 1962. Spiegel Online vom März 2016 attestiert ihm hier ‚zeitlose Eleganz’ und belegt dies anhand der Charakterisierung Limes, worin sich zugleich die Skrupellosigkeit der von ihm verkörperten kriminellen menschlichen Existenz offenbart. Heißt es dort bei Burger/Springer: "...dass sein persönliches Glück der ganzen Welt die Sorgenfalten glätten wird", findet sich im Gegensatz dazu bei Stingl die so knappe wie treffende Version: "...dass sein Glück der Welt eine Freude machte  Der Reiz der Geschichte besteht indessen darin, dass dieser Harry Lime zu Beginn als tot gilt. Sein britischer Freund, der Verfasser von Western-Romanen Rollo Martin – im Film heißt er Holley Martin, kann es nicht fassen, als er, einer Einladung Limes nach Wien folgend, dort erfahren muss, dass Lime, unmittelbar vor seiner Ankunft, durch einen mysteriös anmutenden Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein soll. Unterschiedliche, sich teils widersprechende Zeugenaussagen werfen Fragen auf. Martin begibt sich auf die Suche nach seinem Freund. Dabei erfahren wir eine Fülle historischer Details aus dem in die Zonen der Siegermächte USA, Frankreich, England und Sowjetunion aufgeteilten Nachkriegs-Wien. Ruinen bilden die Kulisse. Heil geblieben ist das Riesenrad, Wahrzeichen Wiens, und zugleich Treffpunkt von Rollo Martin und dem scheinbar wiederauferstandenen Harry Lime – Höhepunkt des Romans. Die anschließende dramatische Verfolgungsjagd durch die Kanalisation wiederum mag einen Tiefpunkt menschlicher Existenz markieren: Harry Lime erschießt den sympathisch gezeichneten Begleiter Martins, Polizist Bates; Lime selbst wird am Ende von seinem einstigen Freund Martin mit der Waffe niedergestreckt.

     Dabei kommt es neben der Kriminalgeschichte auch zu einer kleinen literarischen Auseinandersetzung voller Ironie. So, wenn beispielsweise Martin gegenüber einem distinguierten Lesezirkel den Autor von Western-Romanen, Zane Grey, als Vorbild angibt, zugleich jedoch offenbart, den hoch gehandelten James Joyce nicht zu          kennen. Des weiteren tut er vor der empörten Gesellschaft kund, den „Todesreiter von Santa Fé“ dem anspruchsvollen Erfolgsautor Henry James vorzuziehen. Dies lässt die  Lektüre, bei allem Ernst und Schwere des Geschehens, an so mancher Seite heiter und leicht werden, was den Lesefluss nur steigert.  Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

 

        Siehe auch: 

- Graham Green: „Der dritte Mann“. Ungekürzte Lesung mit Hanns Zischler ,

   Zischler. NDRKultur. Reihe Thriller, 2016

 - Graham Greene: „Der dritte Mann“, Deutsch von Fritz Burger und Käthe  

   Springer, Süddeutsche Zeitung Bibliothek, München 2004

 - „Der Dritte Mann“ Ein Film von Carol Reed, England 1949, Arthaus

   Collection Klassiker, DVD 2010.

 

 

 

Buchtipp des Monats Mai 2016 für Junge Leser

© Erna R. Fanger www.schreibfertig.com

 

Kirsten Boie:  Bestimmt wird alles gut. Illustriert von Jan Birck. Übersetzung ins Arabische von Mahmoud Hassanein. Klett, Leipzig 2016

 

Nicht nur für Kinder ab 6, sondern allen Altersstufen, selbst Erwachsenen, gewährt dieser schmale Band einen präzisen Einblick in die prekäre Situation der zehnjährigen Rahaf und ihres neunjährigen Bruders Hassan, beides Flüchtlingskinder aus Syrien. Zweisprachig, Deutsch und Arabisch, am Ende ergänzt durch ein Glossar mit ‚ersten Wörtern und Sätzen zum Deutsch- und Arabischlernen’, liefert es darüber hinaus einen erfrischend konkreten Beitrag zur häufig abstrakt geführten Integrationsdebatte.

            Dabei erlebt der Leser hautnah mit, wie unbeschwert einst das Leben in Homs, in der Geborgenheit der Großfamilie, war. Mit jeder Menge Onkeln und Tanten, Großeltern, Geschwistern, Cousins und Cousinen zum Spielen. ‚Bis die Flugzeuge kamen’, wo ‚alle Kinder ganz schnell ins Haus gerannt sind’. Man hört berstende Häuser, weinende Menschen. Hinterher auf der Straße sieht man Trümmer, Menschen, die nicht mehr aufstehen. Aber es ist auch spannend. Hassan sammelt Patronenhülsen und ist stolz darauf, als er eine scharfe Patrone findet. Sein Vater klärt ihn auf, dass die gefährlich sei und nimmt sie ihm weg. Der Leser wird Zeuge, wie die Flugzeuge zunehmend den Alltag bedrohen, kleine Freuden, wie ein Besuch auf dem Jahrmarkt, zunichte gemacht werden. Immer mehr Flugzeuge bombardieren die Gegend. Immerzu. Bis Rahafs und Hassans Eltern beschließen mit ihren vier Kindern in ein anderes Land zu fliehen, wo sie ein friedliches Leben führen könnten. All die Freunde und Verwandte hinter sich lassend.

            Mit Besteigen des von Schleusern organisierten Schiffs nimmt die bevorstehende Odyssee ihren Lauf. Nicht nur ist das Schiff viel zu klein für die darauf sich drängenden Massen, haben die Schleuser ihnen obendrein Taschen und Koffer mit Geld, ihrem Hab und Gut, entwendet, um mehr Menschen an Bord aufzunehmen, die ihnen ihre Dienste kräftig zu bezahlen hatten. Neun Tage und Nächte, Hunger und Durst, stehen ihnen bevor, bis sie endlich in Italien ankommen, erleichtert, nicht wie andere, von denen sie gehört hatten, ertrunken zu sein. Aber ohne Ausweise, die ja in ihrer Tasche waren, und ohne mehr Geld, als ihr Papa in der Hosentasche hatte, um noch ein bisschen Essen zu kaufen.

            Im Zug Richtung Deutschland werden sie mit den erschöpft weinenden Kindern beschimpft. Der Schaffner hingegen wünscht ihnen ‚viel Glück’, lässt sie ohne Fahrkarten und Ausweise passieren. „So sind die Menschen in diesem Land!“, keimt Hoffnung auf.

            Im „Erstaufnahmelager“ – unaussprechliches Wort! – ein Zimmer für die sechsköpfige Familie. Es ist eng! Aber man kann duschen. Und mit anderen syrischen Kindern spielen. Bis sie nach drei Monaten wieder wegmüssen. In einen ganz kleinen Ort. Dort bekommen sie in einem Container ein neues „Zuhause“. Darüber freuen sie sich. Für sie zu sechst gibt es drei Betten, in denen sie zu zweit schlafen müssen. Und leider gibt es dort keine syrischen Kinder, mit denen man hätte spielen können. Dafür sollen Rahaf und Hassan zur Schule gehen. Alle sind freundlich zu ihnen, aber sie verstehen kein Wort. Rahaf will am liebsten nicht mehr hingehen. Gott sei Dank betritt am nächsten Tag Emma die Bildfläche und nimmt Rahaf unter ihre Fittiche, mit deren Unterstützung sie im Nu die ersten Brocken Deutsch - „ganz viele Wörter“-  lernt. Und Tickenspielen ging ja auch ohne zu reden. „Schlimm ist nur, dass Papa nicht Arzt sein darf“. Deshalb ist er oft traurig, und Mama auch. In wenigen Sätzen offenbart sich die Krux des zur Untätigkeit verdammt Seins.                Rahaf, indessen seit zwei Jahren in Deutschland, spricht jetzt genauso gut Deutsch wie Arabisch. Emma ist ihre beste Freundin. Leider kann sie nicht bei ihnen über Nacht bleiben. Aber sie hoffen, irgendwann eine schöne Wohnung zu bekommen, und dass ihr Papa endlich wieder arbeiten darf.

 

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

 

Buchtipp für Junge Leser März/April 2016

© Hartmut Fanger www.schreibfertig.com

Ein interaktiver, kreativer Spaß nicht nur für Mädchen

 

Astrid Seehaus: Mathildes und .... Reiset Tagebuch Australien. Undine Verlag, Wehnde 2014

 

Kindern in einer durch Internet und Fernsehen reizüberfluteten Welt noch etwas mit auf den Weg zu geben, ist wahrlich kein leichtes Unterfangen. Umso erfreulicher, wenn vor diesem Hintergrund ein Buch erscheint, das nicht schulmeisterlich und trocken daherkommt, sondern vor Einfällen nur so sprudelt, kreativ und bunt ist. Vor allem junge Leser zieht es sofort in den Bann, lässt sie dabei selbst aktiv werden. Denn wie schon der Titel andeutet, handelt es sich hier nicht nur um ein Reisebuch, sondern darüber hinaus um ein Tage- und Freundschaftsbuch und nicht zuletzt um eine „Abenteuergeschichte“ aus dem fernen Australien.  Jede Menge Ideen werden so eingebracht, dass der junge Leser sie auf der nächsten Seite nach dem Vorbild selbst erstellen kann. So zum Beispiel Mathildes Pinnwand, die sich aus Bildern und Zeichnungen zusammensetzt. Motive sind Australiens Tierwelt ebenso wie die beste Freundin, die Stadt, in der der Leser lebt, und vieles mehr. Ein  dementsprechend interaktives Buch, das zum Malen, Zeichnen, Bilder einkleben, Basteln und selbst Schreiben animiert. Und wer unserer jungen Leser greift nicht zum Farbstift, wenn Protagonistin Mathilde auf einer Seite in schwarzweiß abgebildet ist, versehen mit dem Appell „Ich bin so blass und brauche Farbe!“ Doch es gibt noch viel mehr zu entdecken. Beispielsweise wenn sich der Leser Sätze ausdenken kann, die für Mathilde zum Üben gedacht sind, Wortschöpfungen wie „Miramaxelmupselmops“ zum Tragen kommen oder die Frage beantwortet werden soll, als was sich der Leser verkleiden würde, wenn Halloween wäre. Doch kann er hier auch seine besten Freunde mit ins Boot holen, Ferienerlebnisse aufschreiben und dokumentieren, die schönsten Fotos sammeln und einkleben. Alles was das Herz begehrt. Ganz nebenbei lernt er dabei zahlreiche Aspekte Australiens, dem „Land der gefährlichsten Tiere der Welt“, kennen, wie etwa Koala, Känguru oder Platypus. Aber auch die Metropole Sydney mit ihren Hochhäusern und Baumriesen, dem Opera House oder das Buschland Australiens und seine Ureinwohner, die Aborigines. Nicht zu vergessen der Bumerang, womit einst und heute noch Kängurus  gejagt werden. Es gibt viel zu erfahren, viel zu sehen und zu lernen. Eine Bereicherung für jedes Kind, sobald es lesen und schreiben kann, und große Anregung einmal weg von Computer und Internet zu kommen, sich auf die Welt, zwar angeregt durch dieses „Reisebuch“ der besonderen Art, jedoch in Eigenregie einzulassen. Ein Kinderbuchspaß, liebevoll und einfallsreich bis ins Detail gestaltet, den wir nur empfehlen können.

 

Aber: Selber lesen macht schlau – viel Spaß dabei!

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